Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist angespannt. Bezahlbarer Wohnraum ist ein rares Gut,
vor allem in den großen Ballungszentren und in Metropolen wie Hamburg. Besonders Wohnungen für Normalverdiener fehlen. Auf dem 13. Wohnungsbautag diskutierten Branchenvertreter, Experten und Spitzenpolitiker über die aktuelle Situation und neue Konzepte. Pläne, um die Situation zu verbessern gibt es viele. Nun kommt es auf die Umsetzung an.
Bauen, Umbauen und Modernisieren lautet der Fahrplan für den Wohnungsbau. Die neue Bundesregierung wagt einen Aufbruch. 400.000 Wohnungen sollen pro Jahr neu entstehen, jede vierte davon als Sozialwohnung. Das sind ehrgeizige Neubauziele und damit verbundene Klimaziele. Wie diese „Herkulesaufgabe für ein neues Wohnen“ gemeistert werden kann? Sieben führende Organisationen und Verbände der Bau- und Immobilienbranche stellten dazu auf dem 13. Wohnungsbau-Tag 2022 in Berlin ein Konzept vor. Als Verbändebündnis Wohnungsbau präsentierten sie eine aktuelle Studie des Bauforschungsinstituts „ARGE für zeitgemäßes Wohnen“ (Kiel). Darin setzen die Wissenschaftler beim „Mammutprogramm Wohnen“ der Ampel-Regierungskoalition auf eine Mischung aus mehr Neubau und deutlich mehr Umbau im Gebäudebestand. Das sei – zusammen mit mehr Klimaschutz beim Wohnen – allerdings nur zu erreichen, wenn der Staat eine Reihe von zusätzlichen Steuer-Anreizen setze und KfW-Programme anpasse bzw. neue Förderungen schaffe.
8,5 Millionen Deutsche leben in überbelegten Wohnungen
Laut Studien wohnen immer mehr Menschen auf zu engem Raum. 8,5 Millionen leben hierzulande in Wohnungen, die überbelegt sind. „Wir sind im Immobilienbereich in Deutschland an einem Punkt angekommen, wo Vision und Realität weit auseinanderklaffen“, sagte Roland Meissner, Geschäftsführer beim Bundesverband Kalksandsteinindustrie e.V. Rund 341.000 neue Wohnungen müssten in Deutschland pro Jahr entstehen, gebaut wird aber nur etwa die Hälfte davon. Welche Lösungen gibt es für mehr Häuser und bezahlbare Mieten? Werden wir bald über Supermärkten, Parkhäusern, in umgebauten Bürogebäuden und ganz weit oben auf Dächern alter DDR-Plattenbauten wohnen? Und wie soll das bei begrenzten Haushaltsmitteln, teurer werdenden Baustoffen, steigenden Grundstückspreisen und der Forderung nach klimaneutralem Bauen alles zu schaffen sein?
Aus der vorhandenen Gebäudesubstanz kann erstaunlich viel herausgeholt werden.
Dietmar Walberg vom Wohnungs- und Bauforschungsinstitut ARGE hatte in Vorbereitung für den Wohnungsbau-Tag 2022 eine „Wohn-Inventur für Deutschland“ gemacht. Ergebnis: 4,3 Millionen neuer Wohnungen könnten allein durch Umbaumaßnahmen entstehen. Allein der Umbau von nicht mehr gebrauchten Büros durch Home-Office würde 1,9 Millionen Wohnungen bringen. Die Kosten dafür lägen bei nur rund 1.300 Euro pro Quadratmeter, was günstig sei im Vergleich zu Neubaupreisen, die aktuell bei 3.400 Euro pro Quadratmeter liegen. Laut der ARGE-Studie bieten Dachaufbauten das enorme Potential von 1,5 Millionen neuer Wohnungen zu Kosten von rund 2.500 Euro pro Quadratmeter. Hinzu kommen Ideen wie das Aufstocken von Verwaltungs- und Bürokomplexen, Supermärkten, Fabriketagen und Parkhäusern. „Deutschland wird sich gewaltig umbauen müssen, um über die Neubaukapazität hinaus neue Wohnungen zu bekommen.“
2 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau pro Jahr reichen nicht
Für „gutes, bezahlbares, aber auch klimagerechtes Wohnen in einem lebenswerten Umfeld“ möchte sich Bundesbauministerin Klara Geywitz einsetzen. Für den sozialen Wohnungsbau werden vom Bund bislang 2 Milliarden Euro pro Jahr bereitgestellt. Dass diese Summe nicht genügen wird, um 100.000 Sozialwohnungen zu bauen, ist sich selbst die SPD-Politikerin sicher. Der Bund allein könne die im Koalitionsvertrag jährlich zugesicherten 400.000 neuen Wohnungen nicht allein gewährleisten. Deshalb werde ihr Ministerium ein Arbeitsbündnis für bezahlbares Wohnen von Bauwirtschaft, Wohnungsunternehmen, Ländern, Kommunen, privaten Vermietern, Mieterverbänden, Gewerkschaften, Umweltorganisationen und Planern initiieren, das eine „Investitions- und Innovationsoffensive“ in die Wege leiten sollen, so Geywitz.
Schluss mit der „Dämm-Olympiade“ – Wasserstoff fürs Wohnen
Laut BFW-Präsident (Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen) Andreas Ibel liegt der Schlüssel zum klimaneutralen Wohnen in einer klimaneutralen Energieversorgung und nicht in immer dickeren Wänden und Fenstern. „Wir müssen Schluss machen mit der Dämm-Olympiade. Wir müssen breiter denken, echte Technologieoffenheit erlauben und auch fördern. Nah- und Fernwärme, Bio-Methan und vor allem auch Wasserstoff. Ja, die Produktion von Wasserstoff braucht viel Energie. Diese über Elektrizität direkt zu verwerten, ist effizienter. Doch wir müssen Energie eben auch speichern, transportieren und in Bestandsgebäuden nutzen können. Und da bietet Wasserstoff eine Lösung.“
Gebäudehülle vor Anlagentechnik
Jedem muss klar sein, dass zunächst die Gebäudehülle optimiert werden muss, bevor eine passende Anlagentechnik installiert wird, so Katharina Metzger, die BDB-Präsidentin (Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel). „Und eine Frage wird dabei immer gestellt: Wann rechnet sich die Investition? Die Gefahr bei High-End-Technik ist doch, dass sie schon wieder ausgetauscht werden muss, bevor sie sich amortisiert. Das ist am Ende nur unwirtschaftlich. Der Umwelt dient es auf keinen Fall. Also: Beim Klimasanieren den ‚grünen Boden‘ unter den Füßen nicht verlieren.“ Die ARGE-Studie zeige, dass man mit dem Effizienzhaus 115 für den Gebäudebestand und mit dem Effizienzhaus 70 für den Neubau pragmatische Ziele verfolgen sollte. Effizienzhaus 115 ist ein Gebäudestandard, der für energetisch modernisierte Häuser steht. Effizienzhaus 70 eine Standardbezeichnung für sanierte Häuser. „Denn für mehr Klimaschutz beim Wohnen braucht man Arbeitskräfte und Fördergeld. Und beides ist knapp. Was hilft die aufwändigste Installation, wenn sie am Ende – neben der Finanzierung – auch daran scheitert, weil Fachkräfte fehlen, um sie zu installieren?“
Arbeitsplätze auf dem Bau attraktiver machen
Bei allem Ruf nach Neubau, Umbau und Modernisierungen darf nicht vergessen werden, wer das alles praktisch umsetzen soll. Die Baubranche sucht Fachkräfte und muss daher als Arbeitsplatz attraktiver werden, so Robert Feiger, IG BAU-Bundesvorsitzender: „Um junge Menschen für eine Karriere auf dem Bau zu begeistern oder Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, muss der Bau faire und gute Arbeit, vor allem aber auch gute Löhne bieten. Und hier muss mit einem Mythos aufgeräumt werden: Gute Löhne auf dem Bau machen das Wohnen nicht entscheidend teurer. Der Lohn auf dem Bau macht nicht einmal ein Fünftel der Neubaukosten aus.“
Großer Nachholbedarf beim altersgerechten Wohnen
Auch beim altersgerechten Umbau gibt es erheblichen Nachholbedarf, wurde auf dem Wohnungsbau-Tag in Berlin thematisiert. Nur jeder zwölfte Senioren-Haushalt lebt mit keinen oder nur wenigen Barrieren. Um mehr Wohnhäuser altersgerecht zu modernisieren – gegen eine wachsende „Graue Wohnungsnot“, müsse der Staat eine Förderung von 3 Milliarden Euro jährlich aufbringen. Denn dieses Thema wird spätestens dann zu einem drängenden Problem, wenn die Baby-Boomer-Generation in Rente geht.
Abrissbirne unumgänglich?
Was die „Wohngebäude-Inventur“ der ARGE-Studie auch aufzeigte: Müssen mehr Klimaschutz und Seniorenwohnen kommen, dann wird es auch mehr Häuser geben, bei denen es sich technisch oder wirtschaftlich nicht mehr lohnt, sie zu modernisieren. Dann müsste fast jeder zehnte Altbau – überwiegend Gebäude aus der Nachkriegszeit – abgerissen und an gleicher Stelle durch einen Neubau ersetzt werden, so die Wissenschaftler. Allein beim Ersatzbau seien pro Jahr Investitionen von bis zu 40 Milliarden Euro notwendig.
Steuererleichterungen steigern Wohneigentumsquote
Wie ist das alles zu stemmen? Die Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“ legte im Februar ein neues Positionspapier vor. Die rund 35 Verbände aus der Bau- und Immobilienwirtschaft, Planer, die Industriegewerkschaft BAU und der deutsche Mieterbund formulierten darin sieben gemeinsame Forderungen an die neue Bundesregierung, die den Weg zu bezahlbarem und bedarfsgerechtem Wohnraum frei machen. Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW, fasste diese Forderungen so zusammen: „Ein wichtiges Instrument seien Steuererleichterungen, um die seit 2010 stagnierende Wohneigentumsquote in Deutschland anzukurbeln. Auch Haushalten mit wenig Eigenkapital müsse der Zugang zu Immobilien steuerlich erleichtert werden. Und tatsächlich will die Politik neue steuerliche Anreize für Bauherren setzen. So sollen bei einem Neubau zukünftig jährlich drei statt zwei Prozent der Kosten abgeschrieben werden dürfen. Auch die Wohngemeinnützigkeit soll wieder eingeführt werden, was weitere Steuervorteile und Investitionszusagen bedeutet.“
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