Bauen, Bauen, Bauen in schwierigen Zeiten

Anika Schönfeldt-Schulz, Vorsitzende des IVD Nord e. V.
Anika Schönfeldt-Schulz, Vorsitzende des IVD Nord e. V.

ANZEIGE: Baugenehmigungen und Baufertigstellungen – es braucht viel Pragmatismus beim Wohnungsbau.

Im ersten Quartal des Jahres 2022 wurden bundesweit insgesamt 92.507 neue Wohnungen genehmigt, das sind 3,6 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Baugenehmigungen für Zweifamilienhäuser sank um 3,3 Prozent, für Einfamilienhäuser sogar um 26,2 Prozent. Hingegen wurden 12,5 Prozent mehr Mehrfamilienhäuser genehmigt.

Seit den ersten Monaten des Jahres hat sich allerdings so viel in so kurzer Zeit bei der Projektentwicklung von Immobilien verändert, dass die aktuellen und zukünftigen Zahlen vermutlich ein ganz anderes Bild zeigen werden. Der Ukraine-Krieg, stark steigende Baukosten, Lieferkettenprobleme, Arbeitskräftemangel, energetische Vorgaben und fehlende Förderkulissen werden sich in den nächsten Wochen und Monaten noch stärker auf den Wohnungsbau auswirken. Es ist zu erwarten, dass die Baugenehmigungszahlen weiter sinken werden. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, braucht es schnell pragmatische und unkomplizierte Maßnahmen der Bundesregierung. Es gibt viele konkrete Vorschläge, wie Bauen einfacher und schneller funktionieren kann. Ein Beispiel ist das Thema Verdichtung und Umnutzung. Viele Bebauungspläne sind mehr als veraltet. Anpassungen sind sehr aufwendig und könnten den Wohnungsbau über mehrere Jahre verzögern. Der Gesetzgeber könnte den Kommunen die Option geben, ihre Bebauungspläne im Hinblick auf die Grundflächen- und Geschossflächenzahl selbst zu ändern. Hierzu würde in der Baunutzungsordnung eine entsprechende Regel aufgenommen werden, nach welcher die Grundflächen- und Geschossflächenzahl pauschal um Faktor X und Y angehoben werden können. Das kostet kein Steuergeld und gibt den Kommunen die Flexibilität, dort Wohnraum zu schaffen, wo er dringend benötigt wird.

Baufertigstellungszahlen nach kurzzeitigem Aufwärtstrend wieder rückläufig

In der Legislaturperiode 2018 bis 2021 sind insgesamt 1,179 Millionen neue Wohnungen gebaut worden. Das ergibt sich aus den Ende Mai veröffentlichten Baufertigstellungszahlen des Statistischen Bundesamtes.

Damit hat die letzte Bundesregierung ihre Zielvorgabe von 1,5 Millionen neuen Wohnungen zwar verpasst, aber dennoch trotz Corona für gute Impulse auf dem Wohnungsmarkt gesorgt. Es wurde vor allem dort gebaut, wo Wohnraum dringend benötigt wird. Das wirkt sich auf die Mieten aus. In den Wachstumsregionen hat die Mietenentwicklung entsprechend an Dynamik verloren. In der Ausweitung des Angebots liegt auch weiterhin der Schlüssel zum Erfolg.

Allerdings sind die Baufertigstellungen aus dem vergangenen Jahr und die Baugenehmigungszahlen aus dem ersten Quartal 2022 nur eine Momentaufnahme. Sie unterstreichen aber eindrücklich, wie schwierig es sein wird, eine noch höhere Zielvorgabe von 1,6 Millionen Wohnungen unter den gegebenen Umständen zu erreichen.

Festzuhalten bleibt, dass der Immobilienmarkt durch die Folgen des Ukraine-Kriegs, die steigenden Zinsen und Baukosten sowie durch die ansteigende Inflation vor neuen und viel größere Herausforderungen steht, als dies noch vor Wochen bzw. Monaten der Fall war.

Anika Schönfeldt-Schulz, Vorsitzende des IVD Nord e. V., Foto: Martina van Kann

Diesbezüglich herrscht in der Immobilienbranche derzeit große Verunsicherung. Viele Projekte werden zurückgestellt und es werden kaum neue angestoßen. Es gibt eine große Bauzurückhaltung und das Ziel, 400.000 neue Wohnungen zu bauen, wird in diesem Jahr unerreichbar sein. Dringend notwendig ist daher ein Umdenken in der Wohnungspolitik: Hin zu pragmatischen Lösungen, vereinfachten Genehmigungsverfahren, verlässlichen Förderkulissen und wirksamen investiven Impulsen für alle Akteure der Wohnungswirtschaft. Dazu gehören auch private Bauherren und Erwerber. Neben dem Neubau muss zudem viel stärker noch der Bestand in den Fokus. Hier sollte sich die Politik Maßnahmen wie Umnutzung, Umbau und Reaktivierung bestehender Gebäude, insbesondere leerstehender Gewerbeimmobilien, zuwenden.

Der Anteil der Baugenehmigungen für Wohnungen, die aus Bestandsmaßnahmen neu entstanden sind, betrug in den vergangenen Jahren regelmäßig um die zwölf Prozent. Diesen Anteil gilt es zu erhöhen. Denn das Potenzial aus Aufstockungen und Redevelopment ist riesig. 4,3 Millionen neue Wohnungen könnten bis 2040 aus dem Bestand entstehen, das wären schon 240.000 neue Wohnungen pro Jahr.

Der Mietmarkt wird immer mehr reguliert und Wohnungseigentum kaum gefördert. 73 Prozent aller Mieter in Deutschland wären lieber Wohneigentümer als Mieter. Diesem Wunsch sollte die Bundesregierung gerecht werden und entsprechende Impulse bringen. Die Senkung der Grunderwerbsteuer für Privatnutzer und Eigenkapital-Bürgschaftsprogramme könnten diesen Traum vom Eigenheim für viele Mieter ermöglichen. Seit dem Auslaufen des Baukindergeldes fehlt hier jede effektive Förderung. Der Neubau wird knapper und durch zusätzliche energetische Auflagen sowie steigende Baukosten teurer werden. Im Bestand werden sich die Preise auch nicht anders entwickeln: Durch den Generationenwechsel kommen einige Immobilien auf den Markt, die nicht nur in Bezug auf die Optik, sondern auch in Hinblick auf die energetischen Anforderungen kostenintensiv saniert werden müssen. Ohne eine entsprechende Förderung werden sich die meisten Menschen das Projekt „Eigenheim“, auch in Hinblick auf die steigenden Zinsen, nicht leisten können.

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