Ein Revival der besonderen Art

Walter Röhrl im Opel Ascona 400, das WM-Auto von 1982

Vor 50 Jahren machten sich mehr als 300 Rallye-Teams auf den Weg von Kiel nach München. Mehr als 3.400 Kilometer waren zu absolvieren. Dafür traten die besten Rallye-Piloten ihrer Zeit an, darunter ein 25-jähriges Nachwuchstalent aus Deutschland – der spätere zweifache Rallye-Weltmeister Walter Röhrl. 50 Jahre später kam es zur Wiederauflage der längsten Rallye Deutschlands. Wieder mit dabei war Walter Röhrl.

Und der lange Bayer war eindeutig der Star der Revival-Auflage, die sich am Fahrplan der legendären Veranstaltung orientierte. Damals tüftelten die Organisatoren eine Route aus, welche die beiden Olympiastädte Kiel und München verband. Ganz so viele Teilnehmer und Wertungskilometer wie 1972 waren es bei der Wiederauflage zwar nicht, trotzdem kamen über 2.100 Kilometer zusammen. Ging es damals auf den Wertungsprüfungen um Bestzeiten, zählte diesmal nicht jede Hundertstel. Bei einer Gleichmäßigkeits-Rallye zählt vor allem punktgenaues Fahren, Navigieren oder Lösen von Rätselaufgaben. Die Organisatoren wollten mit ihrem Revival weniger eine Kopie der Olympia-Rallye von 1972, sondern eher eine moderne Interpretation. Das bedeutete aber nicht, dass die Teilnehmer auf die legendären Wertungsprüfungen von einst verzichten mussten. So wurden möglichst viele Original-WPs in das Programm integriert. Rund 200 Teilnehmer stellten sich der Aufgabe, darunter neben Walter Röhrl noch einige Teilnehmer sowie Original-Fahrzeuge der 1972er Auflage.

Pierre Gerber/Alice Leuenberger im Healey Westland C (Baujahr 1950), das älteste Auto im Feld

Stets umsäumt und bejubelt von zahlreichen Zuschauern war Walter Röhrl. Der erfüllte geduldig Autogrammwünsche und hielt Smalltalk. Der zweimalige Weltmeister startete gleich auf vier verschiedenen Fahrzeugen, wenn auch nicht auf der kompletten Strecke. Vor 50 Jahren war er mit Siegchancen noch ausgefallen. Das sollte ihm diesmal nicht passieren, wie er der Presse gegenüber schmunzelnd versicherte. Im Gegensatz zum Rallye-Star absolvierten Jörg Pöhlemann und Marc Stoll mit ihrem 46 Jahre alten Porsche 924 sämtliche Kilometer. Beide kennen sich mit Rallyes dieser Art aus, fuhren in diesem Jahr unter anderem die AvD Histo Monte. Von Beginn an setzte sich das Duo an die Spitze des Feldes. Nur an einem Tag mussten die beiden die Gesamtführung kurzzeitig abgeben, ehe bei der Zielankunft der Sieg feststand. Als die Sieger in der Motorworld München gekürt wurden, war nicht nur Walter Röhrl anwesend, sondern gleich mehrere andere Rallye-Stars wie Rauno Aaltonen, der vor 50 Jahren im BMW vorzeitig ausgeschieden war. Auch der Gewinner der 1972er Auflage, Jean-Pierre Nicolas, ließ es sich nicht nehmen für die letzte Etappe von Regensburg nach München hinter das Lenkrad einer Alpine A110 zu klettern. Mit solch einem Fahrzeug hatte der Franzose, damals mit dem späteren Ferrari-Teamchef und FIA Präsidenten Jean Todt als Co-Pilot, die Originalausgabe gewonnen. Vor 3 000 Zuschauer auf der Sandbahn in Platting ließ der heute 77jährige die blaue Alpine wie vor 50 Jahren über die Piste fliegen. „Ich bin froh ein Teil dieser Veranstaltung sein zu dürfen. Das war heute ein fantastischer Tag, mit der Alpine auf Platting war es genauso wie vor 50 Jahren“, schwärmte Nicolas.

Als die erste Etappe am Montagmorgen auf dem Wilhelmsplatz in Kiel gestartet wurde, waren die beiden Söhne von Rallye-Legende Hannu Mikkola dabei. Der Finne hatte eigentlich geplant mitzufahren, verstarb dann aber leider im vergangenen Jahr. So nahmen Juha und Vesa Mikkola in dem für ihren Vater vorgesehenen Audi Quattro die 360 Kilometer lange Etappe in Angriff. „Es gibt kaum eine schönere Art an ihn zu denken und sich an ihn zu erinnern“, so die beiden Brüder. Die weitere Route führte am folgenden Tag von der Autostadt Wolfsburg über Braunschweig bis nach Paderborn. Von dort ging es bis nach Köln, ehe mit 483 Kilometern die längste Etappe anstand. Durch die Vulkan-
eifel ging es über das Moseltal, den Hunsrück und den Pfälzerwald bis nach Speyer,
wo den Teilnehmern im Technikmuseum ein glänzender Empfang bereitet wurde. Wie schon vor 50 Jahren machte der Tross am Folgetag auf dem Hockenheimring Station, wo das gerade erst neu erbaute Porsche Experience Center unter die Räder genommen wurde. Von dort aus führte der weitere Verlauf nach Regensburg. In der Heimstadt von Walter Röhrl starteten die letzten 317 Kilometer.

Siegerteam Jörg Pöhlemann/Marc Stoll im Porsche 924 (Bj.1976), Fotos: Patrick Holzer

Nicht alle schafften wie die späteren Sieger Jörg Pöhlemann und Marc Stoll die herausfordernde Rallye. Bei hochsommerlichen Temperaturen blieben manche der Fahrzeuge, die teilweise über 60 Jahre auf dem Buckel haben, liegen. Trotzdem kamen insgesamt 178 Fahrzeuge ins Ziel. Eine stolze Quote bei etwas über 190 Startern. Vor 50 Jahren waren es von den mehr als 300 Teams, gerade einmal 145, die über die Ziellinie rollten. Hinter den Siegern Pöhlemann/Stoll belegten Dr. Roland Wittmann und Beifahrer Stephan Auer im Mercedes Benz 190E 2.6-16 Evo den zweiten Platz. Rang drei holten sich Martin Bonn und Rolf Pellini im einem Fiat 128 Special. Ihnen allen war gemeinsam, dass jeder viele neue Ecken in Deutschland kennen lernen durfte. Ob Nordlichter die Pfälzer Weinberge in Erinnerungen behielten oder die Süddeutschen die traumhaften Straßen im hohen Norden lobten – die längste und größte Oldtimer-Rallye Deutschlands war ein ganz besonderes Erlebnis. Nicht verwunderlich, dass Wolfgang und Hiltrud Weimar, die mit ihrem 78er VW Golf teilnahmen, im Ziel sagten: „Wir würden sofort wieder losfahren“.

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