75 Jahre Abarth – von röhrenden Auspuffen zum E-Auto

Foto: Patrick Holzer

Irgendwann Mitte der 90er Jahre dürfte der Name Abarth nur noch den eingefleischten Automobilfreunden bekannt gewesen sein. Gehört hatte man den Namen, irgendetwas mit Fiat und Motorsport. Das änderte sich 2007, als man sich bei Fiat auf seine sportlichen Wurzeln besann und den einst traditionsreichen Namen als Marke wiederbelebte. Fortan sollten die Sportmodelle der Italiener als Abarth vermarktet werden – mit dem schwarzen Skorpion als eigenes Markenzeichen.

Und der prangte vor allem in den 60er Jahren auf vielen erfolgreichen Rennwagen. Neben Fiat verfeinerte Abarth unter anderem auch Fahrzeuge von Simca und Alfa Romeo. Bis zu 600 Renn- und Klassensiege sammelte die Autos bis Anfang der 70er Jahre ein. Damalige Größen des Sports wie Kurt Ahrens, Hans Hermann oder später Jochen Rindt feierten mit den Wagen ihre ersten Erfolge. Es war die erfolgreichste Zeit, der 1949 in Bologna gegründeten Firma.

Von Österreich nach Italien

Firmengründer Carlo Abarth, eigentlich Karl Abarth, wurde am 11. November 1908 in Wien geboren. Als seine Familie nach dem ersten Weltkrieg nach Italien zog, wurde er italienischer Staatsbürger. Die Ehe seiner Eltern hielt nicht lange und für Abarth ging es zurück nach Österreich. Dort fuhr er Radrennen, arbeitete als Motorradmechaniker und startete später erfolgreich bei Motorradrennen. Als er sich 1930 das Bein bei einem Rennunfall zertrümmerte, stieg er um auf Renngespanne und hatte ein eigenes Rennteam.

Foto: Stellantis

Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs kehrte Carlo Abarth nach Italien zurück, wo er Rennleiter des Cisitalia-Teams wurde. Meist in kleineren Formel-Klassen am Start verhob sich das Unternehmen mit seinem ambitionierten Grand Prix Projekt. Aus der Konkursmasse des Rennteams bediente sich Abarth und legte damit den Grundstock für seine eigene Firma. In Bologna gründete er mit finanzieller Unterstützung von Armando Scagliarini, der als Gründer der ersten italienischen Firma für Tiefkühlkost zu Geld gekommen war, die Firma Abarth. Als Firmenlogo wählte er den Skorpion – das Sternzeichen seines Geburtsmonats. Unter den übernommenen Fahrzeugen befanden sich auch einige Cisitalia 204A, welche als Abarth Cisitalia 204A die ersten eigenen Autos werden sollten. Sie sollten die Ausgangsbasis für weitere Eigenentwicklungen bilden. Und für die ersten Rennerfolge sorgen und so den Namen Abarth bekannt machen.

Vom Rennfahrer zum Geschäftsmann

Carlo Abarth war nicht nur ein guter Rennfahrer, sondern verfügte auch über einen hervorragenden Geschäftssinn. Im Jahr 1951 siedelte er von Bologna nach Turin über. Der Heimat von Fiat. Mit dem Abarth 1500 Biposto präsentierte man nur ein Jahr später eine futuristische Sportwagenstudie, die über Fiat-Technik verfügt. Der Wagen weckte schließlich das Interesse zweier Packard-Mitarbeiter, die diesen in die USA brachten. Im Grunde war der Fahrzeugbau zu diesem Zeitpunkt eher ein Nebengeschäft. Was Abarth seinen Kunden anbot, war so etwas wie ein Novum, zumindest in diesem Umfang – Fahrzeugtuning. Die Firma entwickelte Auspuffanlagen und Fächerkrümmer, die sie in brave Fiat oder Simca einbauten. In Spitzenzeiten wurden bis zu 300 000 Auspuffanlagen jährlich gefertigt. Vor allem die kleinen Fiat-Modelle wie der 600 sollten durch die Tuningmaßnahmen zu wahren Erfolgsgaranten in den kleinen Hubraumklassen werden.

Abarth beschränkte sich trotzdem nicht nur auf Fahrzeugtuning. Die Firma spezialisierte sich auf den Bau von kleinen, leichtgewichtigen Sportwagen. Dabei arbeitete man mit bekannten Designern und Karosseriebauern wie Luigi Colani, Bertone, Ghia, Pininifarina oder Zagato zusammen. Eines der ersten eigenen Modelle war der von 1956 bis 1959 gebaute Fiat Abarth 750 GT. Zagato zeichnete für die Optik des Wagens auf Basis des Fiat 600 verantwortlich. Der nur 535 kg leichte und gerade einmal 3,48 Meter lange Wagen verfügte über 43 PS. Typisch für die Zeit entstanden unterschiedliche Varianten und Weiterentwicklungen. Selbst in Amerika wurde der Wagen bekannt, als er unter anderem bei den 12 Stunden von Sebring einen Klassensieg einfuhr.

Zusammenarbeit mit Porsche und Simca

Abarth war nicht nur auf Fiat spezialisiert. Durch die Erfahrungen mit Heckmotoren brachte Carlo Abarth mit Ferry Porsche, genau wie Abarth in Wien geboren, zusammen. Aus der Kooperation entstand im Jahr 1960 der Porsche 356 Carrera Abarth. Ein eleganter Sportwagen auf Basis des Porsche 356, dem man die von Designer Franco Staglione kreierte Aluminium-Karosserie überstülpte. Der Motor leistete rund 135 Pferdestärken bei 780 kg Gewicht. Die Karosserie dafür entstand bei der kleinen Karosseriefirma Viarengo & Filippino und angeblich zum Unmut bei Porsche nicht bei Zagato. Mit dem Wagen, der 21mal gebaut wurde, gelangen bei der legendären Targo Florio drei Klassensiege. Weitere Erfolge gab es in Le Mans sowie der dreimalige Gewinn der GT-Weltmeisterschaft in der 2-Liter Klasse. Allerdings war man bei Porsche trotz der Erfolge nicht ganz glücklich über die Zusammenarbeit mit Abarth. Am Ende sollte es bei diesem einen Projekt bleiben.

Bei Abarth wandte man sich Simca zu. Die Franzosen bauten ebenfalls Modelle mit Heckmotoren. Das Ergebnis war der wunderschöne Abarth-Simca 1300 GT auf Basis des Simca 1000. Von diesem stammte die Bodenplatte, Getriebe, Achsen und Lenkung. Das Ergebnis war ein leichter Sportwagen mit um die 600 kg Gewicht und um die 140 PS. Anfang der 60er Jahre sollte der Wagen einige Erfolge einfahren. Höhepunkt der Entwicklung war der von 1963 bis 1964 gebaut Abarth-Simca 2000 GT, der mit 192 PS und 689 kg über ein herausragendes Leistungsgewicht verfügte.

Fiat übernimmt

Im Jahr 1971 kam das Ende der Eigenständigkeit, als Carlo Abarth das Unternehmen und die Namensrechte an Fiat verkaufte. Zu diesem Zeitpunkt war der Firmengründer 63 Jahre alt. Die Motorsportabteilung übernahm Enzo Osella, ein ehemaliger Mitarbeiter von Abarth, welche die Grundlage für dessen späteres Formel 1 Projekt werden sollte. Auch bei Fiat stand der Name Abarth weiterhin für Motorsport. Neuer Chef wurde Motorenspezialist Aurelio Lampredi. Unter dem Namen Abarth, ab 1976 Abarth Corse, entstanden nun die zur Homologation der Rennwagen nötigen Kleinserienmodelle von Fiat und Autobianchi. Vor allem die Rallye-Einsätze mit dem dafür eher ungewöhnlichen Fiat 124 Spider sorgten für Aufsehen. Der Fiat 124 Abarth siegte zu Beginn der 70er Jahre zweimal bei der Rallye Portugal, wurde aber schließlich durch den erfolgreicheren Fiat 131 Abarth abgelöst. Bereits die sportliche Basisversion für die Straße leistete 145 PS, währen der 131 im Rallye-Trimm noch einmal über 100 Pferdestärken mehr mobilisierte. Dreimal wurde Fiat Markenweltmeister, dazu kam 1980 der Fahrertitel durch die deutsche Rallye-Ikone Walter Röhrl. Es war die erfolgreichste Zeit von Abarth. Mit dem Fiat Ritmo Abarth 105 TC schuf man zudem einen Großserienwagen, der im Revier des beliebten VW Golf GTI wildern sollte.

Trotz der Erfolge verlor der Name immer mehr an Bedeutung. In den 90er Jahren geriet Abarth fast in Vergessenheit. Das änderte sich 2007 mit der Wiederbelebung des Markennamens. Die ersten angebotenen Modelle waren der Abarth Grande Punto und der 180 PS starke Abarth Grande Punto esseesse – die italienische Abkürzung für Super Sport. Später folgte der erfolgreiche Fiat 500 in verschiedenen Versionen. Und Abarth machte den kleinen Fiat richtig groß. So leistete der Fiat Abarth 595 Biposto stolze 190 PS bei 1080 kg Gewicht. Wer will, kann den Renner auf bis zu 225 Stundenkilometer beschleunigen. Auch auf der Rennstrecke und Rallye-Piste tauchte der Name Abarth wieder auf. Mit dem Retro Fiat Abarth 124 Spider gab es das Rallye-Comeback und für die Nachwuchsrennserie der Formel 4 liefert Abarth die Motoren.

Es wird elektrisch

Zum 75. Firmenjubiläum präsentierte Abarth noch einmal eine Sonderversion – den Abarth 695 75. Anniversario. Der Wagen ist nur in einer limitierten Sonderauflage von 1 368 Stück verfügbar. Die Zahl ist eine Referenz an den Hubraum des Turbomotors, der 180 PS leistet. Von 0-100 braucht der Anniversario nur 6,7 Sekunden, bei 225 Stundenkilometer ist Schluss. Auf dem Dach des schwarzen Wagens prangt ein goldener Skorpion. Der Wagen ist eine Art Abschiedsgeschenk an die vielen Fans. Zukünftig wird es den Fiat 500 nur noch elektrisch geben. Im vergangenen Jahr gab Fiat-Chef Olivier Fancois bekannt, dass auch Abarth auf die elektrische Konzernlinie einschwenken wird. Der neue Wagen nennt sich Abarth 500e und verfügt über 155 PS. Ob der E-Abarth genauso viele Emotionen wecken, kann wie seine Urahnen, wird sich in der Zukunft zeigen. Den Namen Abarth wird es zumindest wohl noch länger geben.

www.abarth.de