Sein Studium führte den gebürtigen Ostwestfalen nach Hamburg. Über einen Umweg eines Agentur-Praktikums, bei der er Models während der Berliner Fashion Week zu ihren Terminen fuhr, kam Chris Riechmann nicht nur wieder zurück an die Elbe, sondern auch zu Spin Model Management. Seit 2019 ist der 35-Jährige alleiniger Eigentümer und vertritt Models mit seiner Boutique-Agentur. Wir wollten als Erstes wissen, was man darunter versteht?
Wir sind eine Art Mini-Agentur und betreuen jeweils 100 männliche und weibliche Models. Aufgrund unserer Größe ist es uns möglich, sich gezielt und intensiv um jedes einzelne Model zu kümmern. Das hat den Vorteil, dass wir unsere Models genau kennen und so zielstrebig ihre Karrieren aufbauen können. Kurz: Unsere Aufgabe ist es immer im Auftrag des Models zu arbeiten.
Wie schwer ist es sich bei rund 100 bis 200 Modelagenturen deutschlandweit am Markt zu behaupten?
Wir haben uns dank unserer langjährigen Expertise sehr gut am Markt etabliert. Unsere Agentur existiert seit 2007, der Markt hat sich im Laufe der Jahre stetig gewandelt und die Konkurrenz ist groß. Ich habe mich aber bewusst dafür entschieden, eine Boutique-Agentur zu leiten und habe deswegen auch nicht alle Modeltypen im Portfolio. Wir fokussieren uns und bieten dadurch gute Qualität – das ist unser Markenzeichen.
Sie sagten gerade, dass sich die Branche verändert hat. Wie äußert sich das?
Es gibt z. B. schon lange keine Sedcards und haptischen Bücher der Models mehr. Auch bei uns ist alles digitaler geworden. Online und E-Commerce werden immer wichtiger und sind nicht mehr wegzudenken. So ist das klassische Kataloggeschäft auf Kundenseite sehr rückläufig geworden. Alles ist schnelllebiger, was auch Vorteile mit sich bringt. So muss man nicht mehr lange auf Verträge oder Rechnungen warten, alles wird ad hoc erledigt. Das ist in vielen Bereichen für die Kunden, die Models und für uns als Agentur effizienter.“
Mit Mitte 30 sind Sie ein junger Geschäftsführer. Ist das Alter in dem Business hinderlich, um auf Kundenseite ernst genommen zu werden?
Anfangs stellte mein Alter eine kleine Herausforderung dar, doch mit dem Erfolg der Agentur hat sich das schnell verflüchtigt. Meine Branchenkenntnis und mein Wort werden respektiert, zudem haben sich neue Ansprüche am Markt entwickelt. Das heißt: die Kunden werden jünger, alles wird etwas hipper. Von Kundenseite erfahre ich auch oft, dass sie dankbar für neuen, jungen Input sind.
Eine Modelagentur zu leiten ist ein außergewöhnlicher Job. Das hört sich nach Glitzer, Glamour, Jetset-Leben an. Wie sieht Ihr Alltag aus?
Um eines vorwegzunehmen: Es ist ein Job, der mich fordert und zugleich immer wieder fasziniert. Ich verstehe, wenn dabei auch an Glamour gedacht wird, aber ich bin es nicht, dessen Gesicht auf den Covern angesagter Modemagazine zu sehen ist oder der auf den roten Teppichen dieser Welt präsent ist. Ich bin der Strippenzieher im Hintergrund, der zwischen zwei Kunden vermittelt und dafür immer die richtige Kommunikationsart parat haben muss. Dafür bedarf es viel Menschenkenntnis, die ich über die Jahre hinweg gewonnen habe. Doch zurück zu meinem Alltag: Ich stehe morgens auf, gehe mit meiner französischen Bulldogge „Little Food“ spazieren, fahre in die Agentur, beantworte und schreibe E-Mails, telefoniere und freue mich abends ausreiten zu können oder mich mit Freunden zu treffen. Das unterscheidet sich nicht so sehr von anderen Jobs (lacht). Aber ja, manchmal bin ich im Flieger unterwegs, besuche Fashionshows und bin auf Scouting-Reisen, um mich mit Partneragenturen zu treffen. Die internationale Vernetzung untereinander ist wichtig in diesem Beruf.
Was denken Sie über Vorurteile gegenüber dem Modelbusiness?
Jedes Vorurteil hat seine historisch gewachsene Begründung. Nehmen wir Kate Moss als Beispiel, die den Begriff des „Heroin-Chic“ geprägt hat. Nicht nur ihr Äußeres – blass, dünn, dunkle Augenringe – trugen dazu bei, sondern auch ihr eigener Drogenkonsum. Doch das Business ist viel mehr als das, was man ihm stets nachsagt, wie Oberflächlichkeit und ungebildete Models. Meine Entdeckung Berit Heitmann hat ihr Abitur etwa mit einem Einser-Durchschnitt gemacht. Seitdem ich in dem Business bin, habe ich es auch noch nicht erlebt, dass ein Fotograf einem Model nachgestellt hat. Schwarze Schafe gibt es aber mit Sicherheit, das möchte ich nicht kleinreden. Ein weiteres Klischee, das gerne angeführt wird, ist, dass die Models essgestört sind. Inzwischen wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass sie gesund aussehen und nicht ausgemergelt sind. Eine schlechte Ernährung sieht man dem Körper zudem irgendwann an: die Nägel werden brüchig, die Haare verlieren ihren Glanz, die Haut bekommt einen Grauschleier und so weiter.“
Haben Sie selbst ein Idol aus der Branche?
Claudia Schiffer – eines der Super-Top-Models der 1990er-Jahre. Bis heute hat sie ihr Niveau gehalten, sie arbeitet nicht für jeden Kunden und strahlt nach wie vor eine unglaubliche Aura aus. Wenn sie einen Raum betritt, stockt einem der Atem. Das liegt an ihrer unglaublichen Präsenz, das haben nur wenige. Zudem wurde sie all die Jahre super gemanagt. Das sind Dinge, die mich beeindrucken.
Welchen Tipp haben Sie für junge Menschen, die vom Modeln träumen?
Sich nicht blenden lassen, das kann schnell gehen, wenn man ein Neuling in der Branche ist. Ich rate jedem sich mit den Profilen verschiedener Agenturen auseinanderzusetzen. Sich zu überlegen, wo passe ich hin und sich dann zwei, drei davon rauszusuchen und diese zu kontaktieren. Es lohnt sich genau hinzuschauen, was Agenturen einem bieten können. Dabei kommt es nicht auf die Größe, sondern auf die Leistungen an. Schnell kann es passieren, dass man eine Nummer unter vielen wird, denn der Markt ist hart umkämpft. Am Ende zählt jedoch das eigene Bauchgefühl.
Jetzt noch drei persönliche Fragen: Seit 2006 wohnen Sie in Hamburg. Was mögen Sie an der Hansestadt?
Hamburg hat sein eigenes Großstadtflair, ist aber gleichzeitig nicht so schmuddelig wie Berlin und nicht so provinziell wie München. Hamburg liegt irgendwo dazwischen und trifft so genau die richtige Mischung, um hier gut leben zu können.
Sind Sie eher für die Alster oder für die Elbe?
Beides! Ich liebe den Schiffsverkehr auf der Elbe, aber ich mag es auch gleichzeitig, um die Alster zu spazieren und mir die wunderschönen Häuser dort anzuschauen. Beides hat sein eigenes Flair.
Letzte Frage: Fisch- oder Franzbrötchen?
Definitiv Fischbrötchen. Ich mag es lieber deftig als süß und kann ehrlich gesagt den Franzbrötchen nicht viel abgewinnen.