
Sie ist die einzige Hochseeinsel Deutschlands und ein kleines Paradies mitten in der Nordsee: Die Insel Helgoland ist in vielerlei Hinsicht einmalig – nicht nur wegen ihrer besonderen Lage. Ihre Felsen aus Bundsandstein, die Tier-welt und ihre teils tragische Geschichte machen sie zu einem ganz besonderen Reiseziel.
Es ist, als wäre die Welt in Schwarzweiß getaucht, als ich die Fähre in Cuxhaven betrete. Es ist ein verwaschenes Grau, denn der Regen verschleiert die Aussicht. Doch dann wird es plötzlich heller – und aus Grau wird Farbe. Am Horizont taucht etwas auf: Etwas, das aus dem Meer weit in die Höhe ragt. Es sind rote massive Felsen inmitten der rauen Nordsee. Helgoland oder „Deät Lun“, wie die Einheimischen die Schleswig-Holsteinische Insel nennen, ist rund 60 Kilometer von der deutschen Nordseeküste entfernt. Seit einer schweren Sturmflut im Jahr 1721 hat Helgoland auch eine kleine Schwester: die Nachbarinsel Düne. Sie entstand, als der letzte Rest des Kreidefelsens, der die Inseln miteinander verband, durch Sturm und Wellen weggerissen wurde.

Zur Düne fahre ich zuerst – und sobald ich den Fuß auf das kleine Eiland gesetzt habe, bleibt für mich die Zeit stehen. Ich beziehe einen der bunten Bungalows und mache mich auf an den Strand. Weiß ist die Farbe, die hier das 0,7 Quadratkilometer kleine Eiland dominiert. Viele Gebiete stehen unter Schutz, und so ist die Düne ein Paradies für Tiere und Pflanzen. Gerade ist Ebbe, und ein Paar Austernfischer macht mit ihren drei kleinen Küken einen Spaziergang am Strand. Weiter hinten döst eine Gruppe Kegelrobben auf dem weißen Sand. Ich treffe Michael Janßen, der mir erklärt: „Die Kegelrobben- und Seehundpopulation ist extrem gewachsen.“ Der gebürtige Wilhelmshavener ist der „Dünenchef“ der Insel und liebt diesen besonderen Ort, der so wild geblieben ist. Für die Besucher ist es ein besonderes Erlebnis, die Robben zu beobachten. „Damit die Tiere ihre Ruhe haben, ist jedoch ein Mindestabstand von 30 Metern wichtig“, fügt er hinzu.
Nach drei Tagen bringt mich die Dünenfähre „Witte Kliff“ in wenigen Minuten zur Hauptinsel. Ich laufe durch die Geschäftsstraße, in der man nach wie vor zollfrei einkaufen kann, und steige die 184 Stufen hinauf aufs Oberland. Doch zuerst geht es hinab in enge Keller: Andreas Reuthe nimmt mich mit auf eine Führung durch den Zivilschutzbunker. Ein Ort der Geschichte und des Überlebens, denn nichts hat Helgoland mehr geprägt als der Zweite Weltkrieg. Der Ausbau zur Festung 1934 und die Durchlöcherung des Felsmassivs für Bunker- und Stollenanlagen, der Bau eines U-Boot-Bunkers und das Kriegshafen-Projekt „Hummerschere“ haben Helgoland verändert. Es geht die Treppen hinunter in den kühlen und feuchten 90 Meter langen noch erhaltenen Stollen. „Heute leben 1.200 Meschen auf Helgoland, doch in den 1940er Jahren waren es noch 2.700 – und sie alle hatten hier einen festen Sitzplatz auf einer der Bänke“, erzählt der Bunkerführer. Bei Luftangriffen ab 1941 und Überflügen von Bombenstaffeln verbrachten die Menschen hier unzählige Stunden und überlebten unter Drei-Meter-Stahlbeton-Decken auch die größte Bombardierung. Diese fand am 18. April 1945 statt, und mehr als 1.000 britische Bomber machten die Insel dem Erdboden gleich. „Danach konnte niemand mehr nach Hause, weil es kein Zuhause mehr gab“, sagt Reuthe. Die Bevölkerung musste die Insel verlassen und konnte erst ab 1952 allmählich wieder zurückkehren. Wieder an der frischen Luft, besuche ich noch den Maulbeerbaum. Dieser ist rund 150 Jahre alt und hat jegliche Bombardierung überstanden und gilt als „Wunder von Helgoland“. Anschließend geht es den 2,8 Kilometer langen Klippenweg entlang bis zum Wahrzeichen „Lange Anna“, dem einzelnstehenden dünnen Bundsandsteinblock. Hier brüten jetzt die Seevögel wie Trottellummen, Basstölpel und Tordalke. Auch dies ist eine Besonderheit: Basstölpel leben in ganz Deutschland nur auf Helgoland. Anfang der 1990er Jahre hat das erste Paar die roten Felsen ausgesucht, jetzt sind es ganze 1.025 Paare. Sie brüten meist ganz oben auf den bis zu 60 Meter hohen Klippen, während die Trottellummen – in diesem Jahr 5.459 Paare – etwas weiter unten die Felsnischen bevorzugen. Die Geräuschkulisse aus Krächzen und Kreischen ist atemberaubend, und die Basstölpel in den Nestern mit ihren Jungen aus nächster Nähe zu beobachten – von Tennisball-klein bis Dackel-groß – ist etwas ganz Besonderes.
Anreise: Ab Hamburg mit dem Katamaran Halunder Jet (3,45 Stunden); ab Cuxhaven ganzjährig und täglich mit der MS Helgoland (2,5 Stunden Fahrtzeit) oder in den Sommermonaten mit dem Katamaran MS Nordlicht (75 Minuten).
