Ein besonderer Triathlon

Mehr als 1000 Seen machen die Mecklenburgische Seenplatte zu einem Urlaubsparadies. Foto: Michael Juhran

Wer an Triathlon denkt, dem fallen sofort Bilder von Hochleistungsathleten ein, die bis zur Erschöpfung ihr Bestes geben. Dass dies auch anders aussehen kann, stellen Mecklenburger Tourismusexperten bei einem Schnupperkurs unter Beweis. Entspannt und bildgewaltig soll es auf der Tour per Rad, Kajak und per pedes durch das Land der 1.000 Seen zugehen. Mit der 119 Quadratkilometer bedeckenden Müritz als größtem rein deutschen Binnensee, über 1000 kleineren Gewässern, dem größten Nationalpark Deutschlands und einer Bevölkerungsdichte von gerade einmal 47 Bewohnern pro Quadratkilometer könnten die Bedingungen für eine aktive Erholung von Körper und Geist kaum besser sein. 

Es ist Spätsommer und in Waren bläst der Wind über die aufgewühlte Müritz, die mit ihren schäumenden Wellenkämmen eher dem offenen Meer als einem Binnensee gleicht. Nach dem Einchecken im Fahrrad-Hotel „radlon“ stimmt Detlef Koepke die Triathlon-Teilnehmer bei einer Radtour durch den Ort auf die nächsten Tage ein. Detlef ist begeisterter Radler und Mitorganisator der „Mecklenburger Seenrunde“ und der „Velo classico“. Seine Begeisterung steckt an, als er seinen Gästen bei einem Stopp hoch oben vom Turm der Marienkirche einen 360 Grad Panoramablick auf die Stadt, den Jachthafen und Teile des Müritz-Nationalparks ermöglicht. „Mehr als die Hälfte der Mecklenburgischen Seenlandschaft steht unter Naturschutz“, bemerkt er stolz. Ein gut ausgebautes Rad- und Wanderwegenetz führt in diese Schatzkammer der Natur hinein.

Die Radetappe

Der 110 Kilometer lange Müritz-Radweg bietet. Radlern beste Bedingungen. Fotos: Michael Juhran

Am nächsten Morgen begleitet die Sonne die kleine Radlergruppe auf der Schiffsüberfahrt nach Röbel, wo die Tagestour entlang des Müritz Ufers beginnt. Bereits nach wenigen Kilometern tauchen in der Nähe von Ludorf etwa sechzig Kraniche auf einem abgeernteten Maisfeld auf, die emsig mit der Nachlese beschäftigt sind. „Bis zu 30 Tausend Kraniche legen bei uns im Herbst einen Zwischenstopp auf ihrem Flug von Skandinavien oder vom Baltikum in den Süden ein“, lässt Christin Drühl vom regionalen Tourismusverband ihre Gäste wissen. Die Zahl der Vögel, die im Naturschutzgebiet überwintern, nimmt jährlich zu. Als idealer Schlafplatz dient ihnen die geschützte Halbinsel „Großer Schwerin“, so dass Hobbyornithologen am Aussichtspunkt „Gnever Kieskuhle“, direkt am Müritz-Radrundweg, bei Sonnenauf- und Untergang die langgezogenen Schwärme bestens beobachten können. Die nächste Überraschung wartet am Kilometer 15 in Rechlin. Der unscheinbare Tante-Emma-Laden „Alte Tischlerei“ entpuppt sich als ein Gourmet-Imbiss erster Klasse. Curry-Dattel-Creme mit Ziegenfrischkäse, bunte Blattsalate an marinierten Ingwer-Pflaumen und ein deftiger Hirschburger animieren zu einem Boxenstopp. Keine drei Kilometer nach der leckeren Stärkung kommen technisch Interessierte auf ihre Kosten. Nur wenigen ist bekannt, dass auf dem heutigen Gelände des Luftfahrttechnischen Museums Rechlin die deutsche Luftwaffe bis 1945 neue Flugzeuge erprobte und das abgesperrte Gelände später von einer sowjetischen Fliegerdivision genutzt wurde. Vom Doppeldecker bis zum Suchoi-Düsenflugzeug reihen sich im Museum die Flugzeugtypen und beleuchten fast ein Jahrhundert Luftfahrtgeschichte. Acht Kilometer weiter wartet bereits Nationalparkranger Karsten Winzing in Boek auf die Gruppe, um sie durch altehrwürdige Buchenwälder, Heide- und Moorlandschaften zu begleiten. Sachkundig erläutert er Renaturierungsprojekte zum Schutz der Artenvielfalt und macht auch um Probleme keinen Bogen. Rotwildverbiss an jungen Baumschösslingen bereitet ihm die größten Kopfschmerzen, gibt er beim Erklimmen der 36 Meter hohen Aussichtsplattform des Käflingsbergturmes zu bedenken, auch wenn aus der Vogelperspektive der ins Alter gekommene Buchenwald noch in sattem Grün leuchtet. Am Rande des Nationalparks klingt der abwechslungsreiche Tag nach 45 Radkilometern aus, während die Sonne langsam am Horizont verschwindet. 

Weiter mit dem Kajak

Der sieben Kilometer lange Schmale Luzin ist bei Paddlern beliebt

Die Fährstation am Schmalen Luzin ist Treffpunkt für die zweite Etappe, für die an der Ausleihe bereits Kajaks und Kanus auf die Triathlon-Teilnehmer warten. Mit einer Länge von sieben Kilometern und einer maximalen Breite von 300 Metern ist der Rinnensee bei Wasserwanderern äußerst beliebt. Wie die weiteren rund 100 Seen rundum verdankt er seine Entstehung der Weichsel-Eiszeit vor rund 17 Tausend Jahren als die Gletscher tiefe Furchen in die Landschaft gruben und mit Ablagerungen ein hügeliges Gelände hinterließen. Sein glasklares Wasser erlaubt Tiefblicke bis zu 10 Meter in das Lebensreich von Aal, Hecht, Karpfen, Wels und Zander. Bei klarem, windstillem Wetter kann man sogar die etwas tiefer lebenden endemischen Luzinmaränen sowie die drachenköpfigen Ostgroppen entdecken. Ein Paradies für Kormorane, die sich bei den Fischern keiner großen Beliebtheit erfreuen. Auch Fisch- und Seeadler sowie rund 125 weitere brütende Vogelarten und 43 Libellenarten fühlen sich in der Region wohl. Leider bekommt man auf der anderthalbstündigen Paddeletappe nur einen Bruchteil dieser Populationen zu Gesicht. 

12 Kilometer per pedes

Zurück an der Luzinfähre geht es mit einer der letzten handbetriebenen Fähren Deutschlands an das gegenüberliegende Ufer, von wo aus Diplomgeologe Klaus Granitzki die Gruppe auf einer Teilstrecke des gerade eröffneten, 907 Kilometer langen Naturparkweges begleitet. Ein gestandener Wissenschaftler als Guide ist schon etwas Besonderes, zumal er es versteht, die Wanderung durch die Moränenlandschaften der letzten Eiszeit unglaublich interessant und unterhaltsam zu gestalten. Ansammlungen von Gesteinsblockpackungen, Gletscherschutt und Geschiebemergel veranschaulichen deutlich die Grenzen des letzten Inlandeises, an Findlingen lassen sich Schleifspuren entdecken und Moore, Mulden sowie Seen weisen darauf hin, dass einzelne Eisinseln erst später abtauten. Auf den von den Gletschern hinterlassenen Sand- und Lehmböden der Feldberger Seenlandschaft gedeihen selten gewordene Magerrasenpflanzen, die wiederum eine willkommene Nahrung für eine Herde Pommerscher Landschafe am Hullerbusch sind. Indem sie Gras und Büsche kurzhalten, erweisen sie sich als ideale Landschaftspfleger. Endstation der letzten Etappe ist der kleine Ort Carwitz, wohin sich der Schriftsteller Hans Fallada von 1933 bis 1944 zurückgezogen hatte. Liebevoll erhalten, macht das Literaturzentrum Neubrandenburg e. V. sein einstiges Wohnhaus interessierten Besuchern zugänglich. In der Schreibmaschine auf dem Schreibtisch steckt noch ein Brief, auf einem Beistelltisch steht Geschirr, im Garten gedeihen die von seiner Frau angelegten Blumenbeete, so als würde die Familie des Autors von „Kleiner Mann – was nun?“ oder „Geschichten aus der Murkelei“ in jedem Moment zurückkehren. Die Triathleten sind begeistert. Eine derart abwechslungsreiche, interessante und zugleich entspannte Tour hatte am Start keiner erwartet.

Von Waren aus geht es mit dem Schiff zum Start nach Röbel