Man muss es vielleicht selbst mal erlebt haben, um die Aussage von Thomas Plößel richtig einordnen zu können. Auf die Frage, was er am Segeln liebe, gibt der Wahlhamburger eine kurze Antwort: „Das Gefühl übers Wasser zu fliegen, wenn ich im Trapez bin.“
Es muss gigantisch sein. Der Vorschoter bildet seit vielen Jahren zusammen mit dem Kieler Steuermann Erik Heil in der 49er Klasse das „Dream Team“ des Deutschen Seglerverbandes. Die beiden waren Europameister, holten WM- und EM-Silber sowie WM-Bronze. Und sie haben bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro die Bronzemedaille gewonnen. Für diese Leistung erhielten sie ein paar Wochen später das Silberne Lorbeerblatt aus den Händen des damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck. Und nun fiebern sie dem nächsten Höhepunkt entgegen: den Olympischen Spielen in Tokio, die vom 23. Juli bis zum 8. August stattfinden sollen. „Wir wollen für die Wettfahrten in Topform sein und vielleicht die Abonnementssieger Peter Burling und Blair Tuke aus Neuseeland vom Thron zu stoßen“, erklären die beiden Segler selbstbewusst. 2019 bei der WM in Auckland waren Heil/Plößel schon ganz nah dran. Bis zum letzten Rennen lagen sie vor den Neuseeländern, die aber dann doch noch an den beiden vorbeizogen. „So nah dran waren wir lange nicht“, schöpft Erik Heil aus dem Rennverlauf Hoffnung auch für die olympischen Wettfahrten. Im Februar 2020 bei der WM in Australien siegten erneut Burling/Tuke, hier wurden Heil/Plößel Dritte hinter ihren spanischen Trainingspartnern Diego Botin/Iago Lopez, mit denen sie auch in Santander wieder gemeinsam trainierten.
Vor dem Trainingslager in Nordspanien waren die beiden Segler auf Lanzarote, ehe dort der Wind zu stark auffrischte und ein vernünftiges Training für das Revier in Japan, wo gewöhnlich Windstärken zwischen acht und 14 Konten herrschen, unmöglich machte. Sie wollen nichts dem Zufall überlassen, die Ambitionen sind nach Bronze vor fünf Jahren unter dem Zuckerhut groß. Erik Heil bezeichnet die Olympischen Spiele als „das größte Ziel eines Seglers“ und sagt selbstbewusst: „Silber- oder Goldmedaille.“
Seit 20 Jahren sitzen sie in einem Boot, lernten das Segeln gemeinsam in Berlin beim Tegeler Segelclub. Dabei waren die Anfänge eher holprig. „Nee, sorry… Deutsche Meisterschaft in Hamburg ist bestimmt super… Aber zur gleichen Zeit hat mein Papa schon in Frankreich einen Katamaran für die ganze Familie gechartert und das ist mir echt wichtiger.“ Der TSC-Jugendtrainer Michael Koster erinnert sich noch gut an Eriks Worte im Frühjahr 2001 unmittelbar vor den Deutschen Jüngstenmeisterschaften der Teenys in Hamburg. Kurz zuvor beim Tegeler Jüngstenfestival 2001 hatten sie bei ihrer ersten gemeinsamen Regatta sensationell den zweiten Platz belegt.
Das Talent war ebenso unübersehbar wie die Tatsache, dass beide optimal zusammenpassten. Im Sommer 2002 wurden sie Deutsche Vizemeister in der Teeny-Klasse. Und sie blieben zusammen, wechselten später in die 49er Klasse, die olympische High-Performance-Bootsklasse für eine Zwei-Mann-Besatzung, bei der Vorschoter und Steuermann auf den breiten Wings“ im Trapez und mit ihrem Körpergewicht das Boot aufrecht halten. „Alleine der Fakt, dass sie seit 2001 in unveränderter Konstellation zusammen segeln, ist sensationell und soweit ich denken kann, einzigartig“, sagt Michael Koster, ihr Jugendtrainer und eigentlicher Entdecker.
Erik und Thomas gingen wegen der besseren Trainingsbedingungen nach Kiel, schlossen sich dem Norddeutschen Regatta-Verein an. Sie hängen aber nicht 24 Stunden am Tag zusammen. Der Sportsoldat und Medizinstudent Erik wohnt in einer WG in Kiel, Thomas hat sein Domizil in Hamburg. Aber meist sind sie ja ohnehin unterwegs in den angesagten Sehegelrevieren der Welt.