Als vor einem halben Jahrhundert der Porsche 911 Turbo auf den Markt kam, war der Sportwagen einer der ersten seiner Art. Nach der Entwicklung im Motorsport brachten die Stuttgarter die Turbo-Technik zur Serienreife.
Brutal. Anders kann man es nicht bezeichnen. Wahnsinnige 1.100 PS leistete der 12-Zylinder Motor des Porsche 917/30, kurzfristig sind sogar 1.500 Pferdestärken möglich. Mit dem offenen Rennwagen dominierte Porsche 1973 die amerikanische CanAm Serie. Der Titelgewinn war das Ende einer Entwicklung, die Porsche mit 917/10 zwei Jahre zuvor begonnen hatte. Zugleich bildete der Erfolg die Ausgangslage für die bis dato stärkste Variante des Porsche 911.
Möglich wurde solch eine immense Leistungsausbeute durch die neuen Turbo-Motoren. Man betrieb quasi Downsizing. Bisher benötigte es viel Hubraum, um solche Leistungsauswüchse erzielen zu können. Gegenüber der amerikanischen Konkurrenz kam der Porsche 917/30 mit relativ bescheidenen 5,4 Litern aus. Die Idee, einen Motor mit Abgas-Turboaufladung zu bauen, war im Grunde nicht neu. Nur die Alltagstauglichkeit war ausbaufähig. Das berühmte Turbo-Loch und die daraufhin plötzlich einsetzende Leistungsentfaltung sorgte für Herzrasen. Hier kam bei Porsche der große Motoren-Guru Heinz Mezger ins Spiel, der durch die im Rennsport gewonnen Erfahrungen, dem Turbo-Motor die Zügel anlegte. Nicht nur der Motorentechnik kamen die Entwicklungen aus dem Motorsport zugute. Auch die Radaufhängung, Fahrwerk und Bremsen wurden dadurch beeinflusst.
Die Idee einen Serien-911er damit auszurüsten, stieß nicht im ganzen Konzern auf Gegenliebe. Trotzdem präsentierte Porsche auf der IAA 1973 ein erstes Showcar. Dank riesigem Heckflügel und Kotflügelverbreiterungen erinnerte der Wagen stark an den 911 Carrera 3.0 RS. Mit dem Porsche 911 RSR Turbo demonstrierte man mit einem zweiten Platz bei den 24h von Le Mans im Jahr 1974, dass 911 und Turbo erfolgreich sein kann. Noch im Herbst 1974 Jahres wurde die Serienversion des Porsche 911 Turbo auf dem Autosalon in Paris vorgestellt. Wie schon die Studie dominiert der GFK-Heckflügel, hinzu kommen eine Frontspoilerlippe und Kotflügelverbreiterungen.
Gewagter Schritt
Der Schritt zu diesem Zeitpunkt war durchaus gewagt. Noch immer spukten die Ölkrise und Sonntagsfahrverbote in den Köpfen herum. Das musste auch BMW feststellen, die ein Jahr vor Porsche bereits den 2002 turbo auf den Markt geworfen hatten. Nach nur 14 Monaten wurde dieser wieder aus dem Programm genommen. Dagegen hielt Porsche an seinem Serien-Turbo weiterhin fest. Dieser leistete bei 3-Litern Hubraum 260 PS und machte den 930, so die interne Typenbezeichnung, mit 250 Stundenkilometern zum schnellsten deutschen Straßenfahrzeug. Schneller war nur die Konkurrenz aus Italien. Und genau hier wollte Porsche mit dem Turbo hin. Denn anders als geplant kommt der Turbo nicht puristisch daher, sondern möglichst luxuriös. Geplant waren zunächst nur 400 Exemplare. Daher werden die Kotflügelverbreiterungen noch per Hand montiert, da Porsche eigene Presswerkzeuge als unnötig erachtete. Trotz eines hohen Verkaufspreises von 65 800 Mark, dafür gäbe es fast zwei normale 911er, verkauft sich der Turbo gut. Bis 1977 werden insgesamt 2.850 Stück verkauft. Von der mit einem 40 PS stärkeren 3,3 Liter Motor angetriebenen zweiten Version werden es bis 1989 sogar 9.815 Exemplare. Wenige Kunden sicherten sich sogar eine seltene Flachbau-Version, welche die Klappscheinwerfer des 944 verbaut hatte. Zudem gab es ab Frühjahr 1987 den Turbo auch als Cabrio.
Nach 16 Jahren wurde das G-Modell durch den 964 abgelöst – gegenüber dem Vorgänger ein völlig neues Fahrzeug. Turbo-Fans mussten sich zwei Jahre länger gedulden. Erst ab dem Modelljahr 1991 erschien die Turbo-Version mit der eigenen Typen-Nummer 965. Anfangs war der Porsche noch mit dem 3,3-Liter des Vorgängers, immerhin nun 320 PS stark, ausgestattet. Es war eine Verlegenheitslösung, da die Kundschaft einen Turbo forderte und der neue Motor noch nicht griffbereit war. Erst zwei Jahre später kam der neue 3,6-Liter Motor, der auf dem Saugmotormodell basierte. Nun standen 360 PS bereit, die mit dem in Kleinstserie gebauten Turbo S noch einmal um 21 Pferdestärken übertroffen werden sollte. Erstmals knackte ein Turbo zudem die 200 000 DM Marke. Als die Produktion des 964 auslief, gehörte der Turbo zu den Letztgebauten seiner Art.
Starker Straßenporsche
Der Porsche 993 löste 1993 seinen Vorgänger ab. Wieder mussten die Turbo-Fahrer zwei Jahre länger warten. Dafür bekamen sie den stärksten, vom 959 einmal abgesehen, je gebauten Straßenporsche. Bis zu 408 PS leistete der 3,6-Liter Biturbo nun. Dazu kam der Allradantrieb, der die enorme Leistung auf den Asphalt bringen sollte. Noch mehr Leistung gab es im Turbo S oder der extremsten Variante dem GT2, der als Homologationsmodell für den Rennsport gebaut wurde. Bis zu 450 PS waren hier möglich. Der 993 Turbo bot nicht nur mehr Leistung, sondern war auch luxuriöser. Ein Fingerzeig, wohin die Reise in diesem Fahrzeugsegment gehen würde. Und auch die Fahrbarkeit nahm deutlich zu, was den Wagen auch alltagstauglicher machte.
Der ab 1997 erschienene 996 beendete die Ära der luftgekühlten Motoren bei Porsche. Gegenüber all seinen Vorgängern unterschied sich der 996 vom Design her deutlich, ohne seine Gene gänzlich zu verleugnen. Vor allem die flachen Frontscheinwerfer, von den eingefleischten Porsche-Enthusiasten als Siegeleileuchten verschrien, sorgten für Diskussionen. Drei Jahre nach der Basis-Version erschien der Turbo und der Turbo S, diesmal mit 420 bzw. 450 PS. Als Sportmodell verfügte der Turbo als GT2 über 462 PS. Auch der 996 Turbo war breiter als die Carrera-Modelle, wirkte aber längst nicht mehr so brachial. Dafür sorgte schon der viel dezentere Heckflügel. Allradantrieb gab es wieder serienmäßig. Zudem konnte der Turbo als Cabrio geordert werden.
Mit dem Modellwechsel auf den 997 wiederholte sich das Spielchen der Vorgänger. Während die Basisversion schon 2004 eingeführt wurde, kam der Turbo erst 2006, als Cabrio sogar noch ein Jahr später. Die erste Generation verfügte nach wie vor über einen aufgeladenen 6-Zylinder Boxer, der noch auf dem Mezger Block basierte. Der 480 PS starke und bis zu 310 Stundenkilometer schnelle Turbo war zudem der letzte, der noch über ein Schaltgetriebe verfügte. Mit dem Facelift ab dem Modelljahr 2010 kam der neue Direkteinspritzer, der nun 500 PS leistete. Beim Turbo S waren es noch einmal 30 Pferdestärken mehr. Das Schaltgetriebe entfiel, dafür gab es ein 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe. Wiederum bildete der GT2 die Krönung der Turbo-Modelle. In seiner stärksten Variante hatte er als GT2 RS 620 PS, was dem Wagen zu einer Spitzengeschwindigkeit von 330 km/h verhalf. Das hatte seinen Preis. Über 237.000 Euro kostete solch ein Exemplar.
Der ab 2011 als siebte Generation des 911er gebaute 991 setzte das Design seines Vorgängers weiter fort. Breitere Kotflügel und ein in zwei Stufen herausfahrbarer Heckflügel unterschieden den Turbo wieder von den Varianten mit den klassischen Saugmotoren. Wiederum gab es ein Leistungsplus, welches dem Turbo 520 und dem Turbos S 560 PS bescherte. Dazu kam der obligatorische Allrandantrieb. Die Modellpflege des Jahres 2015 war ein Novum in der Geschichte von Porsche. Erstmals wurden auch die Grundversionen mit Turbo- statt mit Saugmotoren ausgeliefert. Mit dem 911 GT2 RS zeigte Porsche zudem, was möglich ist. Der 6-Zylinder Boxermotor mit Bi-Turboaufladung leistete 700 PS. Und damit fast dreimal so viel wie das Ursprungsmodell.
Aktuelle Version
Seit 2019 gibt es mit dem 992 die aktuelle Version, die nun gänzlich auf Turbo-Power setzt. Der 911 Turbo und Turbo S sind aber nach wie vor die Krone der Schöpfung. Mittlerweile ist der Turbo bei 580 PS angelangt, während es beim Turbo S sogar 650 PS sind. Als Turbo S sind damit bis zu 330 Stundenkilometer möglich, von 0 auf 100 geht es in nur 2,7 Sekunden. Was noch möglich wäre zeigen die Edeltuner. Brabus treibt es mit unglaublichen 820 PS und einem Drehmoment von 950 Nm auf die Spitze. Die 1.100 PS des 917/30 sind da gar nicht mehr so weit entfernt.