Fast jeder zweite Deutsche ist betroffen

Es ist das „Sonnenhormon“ und wird leider oft unterschätzt: Dabei ist Vitamin D für viele Prozesse im Körper äußerst wichtig, wie beispielsweise beim Knochenaufbau und -erhalt. Ein Mangel kann nicht nur unnötige Krankheiten hervorrufen, sondern auch das Allgemeinbefinden sowie das Immunsystem immens schwächen. Ein Gespräch mit Prof. Dr. Reinhard Zick, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin – Fachbereich Gastroenterologie, Endokrinologie und Diabetologie – am St. Bonifatius Hospital in Lingen.

Prof. Dr. Reinhard Zick
Prof. Dr. Reinhard Zick

Wer kennt sie nicht, die Geschichten von Tuberkulosekranken, die zum Ausheilen in einen Luftkurort geschickt wurden? Die portugiesische Insel Madeira ist ein Beispiel. Aber war es wirklich die gute Luft, die sich positiv auf die Menschen ausgewirkt hat? „Nein,“ ist sich Prof. Dr. Reinhard Zick sicher, „es war die Sonne. Eigentlich müssten Luftkurorte in Sonnenhormonkurorte umbenannt werden“, und fragt weiter: „Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, warum Sie gehäuft im Winter und nicht im Sommer Schnupfen oder den berühmten grippalen Infekt bekommen? Es ist ein Mangel von Vitamin D, der natürlich gehäuft im Winter vorkommt und das Immunsystem schwächt.“ Müdigkeit, Abgeschlagenheit – auch das können Hinweise auf einen Mangel sein. Vitamin D wird auch Sonnenhormon genannt – und leistet seine Dienste in fast allen Körperzellen. Erschreckend ist die Tatsache, dass fast jeder zweite Deutsche unter einem Vitamin- D-Mangel leidet. Das Vitamin wird im Körper mit Hilfe von ultraviolettem Licht (UV-B) in der Haut gebildet. Zwar kann es auch über die Ernährung zugeführt werden, wie beispielsweise durch Fettfisch, aber die Dosis ist so gering, dass man pro Tag viele Gramm essen müsste.

Zwei bis drei Minuten reichen aus

Die Sonne ist also der Motor für Vitamin D. Dabei ist aber wichtig zu wissen: Sonnenmilch mit Lichtschutzfaktor verhindert die Bildung von Vitamin D. Ein Beispiel: Schon eine Sonnencreme mit LSF 15 blockiert die Vitamin-D-Produktion in der Haut zu 99,5 Prozent. „Das soll jetzt nicht heißen, dass man sich ungeschützt der Sonne ausliefern soll. Zwei bis drei Minuten sind schon völlig ausreichend. Dabei ist aber wichtig, dass der Körper zu 80 Prozent unbedeckt ist“, so Prof. Dr. Zick weiter. Ein Bikini oder eine Badehose sind also die richtige Wahl. Aber nicht nur dieser Punkt ist entscheidend. Um Vitamin D in ausreichender Menge zu produzieren, sind weitere Faktoren von großer Bedeutung:

Foto: I-vista/pixelio.de
Foto: I-vista/pixelio.de

  • Je älter man wird, desto schwächer wird die Vitamin-D-Produktion
  • Bei Übergewicht wird das lipophile Sonnenhormon in das Fettgewebe ausgelagert und kann seine Wirkung in den anderen Körperzellen nur noch bedingt entfalten
  • Die Produktion von Vitamin D hängt vom Einfallwinkel der Sonne ab – und der ist in unseren Breitengraden meist zu schwach – sowie von der Höhenlage und der Luftverschmutzung

Das heißt, dass gerade ältere und übergewichtige Mitbürger fast alle unter einem Vitamin-D-Mangel im Winter leiden und im Umkehrschluss auch unter Krankheiten, die von diesem Mangel hervorgerufen werden.

Täglicher Bedarf

Die Tagesdosis an Vitamin D liegt bei einem normalgewichtigen Menschen mit etwa 70 Kilogramm bei 4.000 IE/Tag. Bei stark Übergewichtigen kann sich der Bedarf wegen der Aufnahme in das Fettgewebe verdoppeln. Schaut man sich einmal eine Lebensmitteltabelle an, in der der Gehalt von Vitamin D aufgeführt ist, so kommt man schnell ins Staunen: Der kaum bezahlbare echte Wildlachs und der nicht gerade schmackhafte Lebertran haben den höchsten Vitamin-D-Gehalt, nämlich etwa 400 bis 1.000 IE/100 g. Also müsste man jeden Tag mindestens 500 bis 1.000 Gramm zu sich nehmen. Der beliebte Thunfisch kommt lediglich auf 226 IE/100 g.

Folgen von Vitamin-D-Mangel

Die Bedeutung von Vitamin D für den Knochenaufbau und -erhalt ist am längsten bekannt. Besteht ein Mangel an Vitamin D, fällt die Aufnahme von Calcium und Phosphat über den Darm dramatisch ab. Als Reaktion darauf kommt es zu einem Anstieg von Parathormon, dass über eine Aktivierung der Osteoklasten Calcium aus den Knochen in das Blut strömen lässt. Calcium wird also regelrecht aus dem Kochen herausgewaschen: Der Knochen wird entkalkt und zusätzlich die Knochenneubildung gestört. Die klinischen Krankheitsbilder sind Osteoporose, im Kindesalter die Rachitis und bei Erwachsenen auch die Osteomalazie. Somit erhöht sich auch das Risiko von Knochenbrüchen.

Wer auf eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung achtet, tut sich auch in anderer Hinsicht einen Gefallen: So ist Vitamin D im Hinblick auf die Funktion des Immunsystems und Autoimmunerkrankungen, Nervenzellen, Muskelfunktion und -kraft und diversen Krebserkrankungen wichtig. „In epidemiologischen Studien ist aufgefallen, dass in Breitengraden mit einem niedrigen jahreszeitlichen Sonnenstand Dickdarm- und Brustkrebs häufiger auftreten und die bösartigen Erkrankungen eher ungünstig verlaufen“, so Prof. Dr. Zick. Bei diesen beiden Tumorformen könne man dem Vitamin D eine krebspräventive Wirkung zuerkennen.

Vorbeugen

Die beste Vorbeugung ist, seinen Vitamin-D-Spiegel regelmäßig kontrollieren zu lassen. „Ich empfehle die Bestimmung von Vitamin D im Herbst und im Frühjahr. Das können Sie bei Ihrem Hausarzt durchführen lassen. Im Herbst prüfen Sie, ob Sie im Sommer ausreichend Sonnenhormon getankt haben, um gut durch den Winter zu kommen. Der Check im Frühjahr zeigt, ob Sie das Niveau den ganzen Winter über halten konnten“, weiß Prof. Dr. Zick. Liegt ein Mangel vor, so gibt es viele Präparate, mit denen er ganz einfach ausgeglichen werden kann. „Sehr vorteilhaft bewerte ich Sprays. Mit zwei Hüben pro Tag wird die Vitamin-D-Versorgung gesichert.“