Green Award für Wahlhamburger

Christian Schiller von Cirplus vor Plastik / Kunststoffen in einem Entsorgungsbetrieb. Foto: cirplus

Christian Schiller und sein Mitgründer Volkan Bilici haben die digitale Plattform cirplus für das Handeln von recyceltem Kunststoff ins Leben gerufen, auf der sich Angebot und Nachfrage für recycelten Kunststoff treffen. Mittlerweile hat die Plattform bereits 1.300 Kunden. Im Sommer wurden die beiden mit dem „Green Award“ in der Kategorie „Startup“ ausgezeichnet.  

Es war Flaute vor der Küste Kolumbiens. Christian Schiller steckte bereits am zweiten Tag seines Segeltörns fest. Gelangweilt ließ er die Beine über Bord ins Wasser baumeln. Völlig unerwartet stießen seine Füße auf harte Gegenstände unter der Wasseroberfläche. Nach dem ersten Schreck dauerte es nicht lange, bis er erkannt hatte, dass sein Boot in einem riesigen Teppich von Plastikmüll dümpelte. Nach einer erfolgreichen Managerkarriere bei einem französischen Unternehmen wollte der Mittdreißiger für 6 Monate auf einer Weltreise ausspannen, um neue Pläne zu schmieden. Mitten in den Plastikabfällen dachte er: „Mein Gott, was machen wir mit unserem Planeten.“ Das war der Startschuss für sein Unternehmen cirplus.

Ende Juni dieses Jahres bekam der nunmehr 36-Jährige und sein Mitgründer Volkan Bilici auf dem Green Tech Festival im Rahmen einer großen Gala in Berlin die Auszeichnung „Green Award“ in der Kategorie „Startup“. cirplus ist eine digitale Plattform, auf der sich Angebot und Nachfrage für recycelten Kunststoff treffen. Firmen, die gebrauchtes, aber aufbereitetes Plastik verkaufen, finden hier Käufer, die genau diesen Kunststoff für ihre Produkte weiterverwenden wollen. Die Firma, die unter 400 Startups für den Preis ausgesucht wurde, baut Christian Schiller seit 2018 mit Volkan Bilici in Hamburg an der Altonaer Poststraße auf. Für die Gala kehrte der Wahlhamburger in seine alte Heimat zurück, in der er bis zu seinem Abitur mit 19 Jahren am Bertha-von-Suttner Gymnasium lebte. Eigentlich wollte der Unternehmer Diplomat werden. Nach dem Studium des Völkerrechts in Dresden und Boston machte er ein Praktikum an der Deutschen Botschaft in Washington: „Das hat mich geheilt.“ Er wendete sich von den Diplomaten ab und nahm einen Job bei dem französischen Startup „BlaBlaCar“ an, das zunächst als Plattform für Mitfahrgelegenheiten zu einem stattlichen Unternehmen heranwuchs, bevor es auch als Fernbusbetreiber erfolgreich wurde. Schiller war zuständig für die in Hamburg ansässige Deutschland-Zentrale. Hier blieb er jedoch nicht, denn er wollte sein eigenes Unternehmen gründen. Hätte er sich bei seiner Segeltour nicht die Füße am achtlos weggeworfenen Plastik gestoßen, wäre ihm sicherlich eine andere Idee gekommen. So kehrte er nach Berlin zurück und bewarb sich mit seiner Idee für cirplus bei „Entrepreneur First“. Hier werden erfolgversprechende Gründer unterstützt, indem sie für drei Monate ein Stipendium bekommen. In dieser Zeit müssen sie ein Team bilden und ihre Idee so weit vorantreiben, dass sich deutliche Chancen auf dem Markt abzeichnen. Gelingt das, erhält das Gründerteam 80.000 Britische Pfund, um weiterzumachen. Das Team Schiller/Bilici war erfolgreich. Schiller ging zurück nach Hamburg, da es dort in der „Förderlandschaft weniger kompetitiv zugehe wie in Berlin“. Im November 2021 stiegen institutionelle Investoren mit insgesamt 3,3 Million Euro bei cirplus ein. Der Traum vom erfolgreichen Start eines Unternehmens wurde Wirklichkeit. Mittlerweile hat cirplus 15 Mitarbeiter und 1.300 Firmen aus 100 Ländern nutzen die Handelsplattform für recycelten Kunststoff. Nach wie vor gehören den beiden Gründern mehr als 50 Prozent von ihrem Startup. 

Das große Problem bei recyceltem Kunststoff ist die Klassifizierung. Alle Beteiligten an dem Prozess der Weiterverarbeitung von gebrauchtem Plastik müssen die Beschaffenheit des Materials genau kennen. Ansonsten entstehen Missverständnisse, Intransparenz und im schlimmsten Fall Vergeudung von Rohstoffen. Schiller hat an dem Standard DIN SPEC 91446 mitgearbeitet, der Klarheit verschafft. Im Augenblick beteiligt er sich an einem Fachausschuss, der diese Bestimmungen in Europa regeln soll. Das wird in etwa zwei bis drei Jahren der Fall sein. 

In Deutschland werden nach Schätzung von Schiller jährlich 12 Millionen Tonnen Kunststoff verarbeitet. Lediglich 8 Prozent davon sollen von recyceltem Kunststoff stammen. Sein Mitgründer Bilici ergänzt: „Jede verkaufte Tonne Recylate ersetzt bis zu 80 Prozent an CO2– Emissionen gegenüber dem Einsatz von Neuware.“ Auf europäischer Ebene sollen etwa 1.300 Kunststoffrecycling-Unternehmen tätig sein. Denen stehen 50.000 kunststoffverarbeitende Firmen gegenüber. Diese „Wertschöpfungsteilnehmer gilt es zu vernetzen“, sagt Schiller. Noch ist der Service auf ihrer Plattform cirplus umsonst. Das Team will erst möglichst viele Nutzer gewinnen, bevor es eine Tarifierung einführt. Der „Green Award“ brachte den Gründern nicht nur Ruhm und Ehre, sondern auch einen golden dekorierten Papierblock. Dieser solle genutzt werden, künftig neue Ideen aufzuschreiben. Schiller ist stolz auf die Auszeichnung in seiner alten Heimat. Allerdings bleibt ein Wunsch offen. „Ich würde mich wie Bolle freuen, wenn meine ehemaligen Lehrer diesen Artikel lesen würden“, sagt er zum Abschied.

www.cirplus.com