Sympathisches Multitalent

von Martina Reckermann

Foto: Markus Richter
Foto: Markus Richter

Als Kind wollte er Bauer oder Arzt werden – aber nur so lange, bis die Schauspielerei Tim Koller in seinen Bann zog und es ihn von den Brettern der Schulaula zu denen zog, die die Welt bedeuten. Mittlerweile ist der 34-Jährige auf vielen Bühnen zu Hause und begeistert gerade als CAVEQUEEN.

Ein pinkes Handy, ein „Zeitungs-Zweiteiler“, Glitzerfummel und High Heels, dazu noch eine Holzbank, ein paar Plastikbüsche, eine Tür und ein Koffer mit kopflosen Barbies – viel mehr braucht die neue CAVEQUEEN Tim Koller nicht, um sein Publikum gut zu unterhalten. Dazu kommt ein Mix aus homosexuellen Klischees, ein paar deftigen Zoten, überspitzem Wortwitz und viel jugendlichem Charme. Wunderbar unprätentiös werden fast alle Tabu-Themen beleuchtet und spätestens, wenn der ausgebildete Bariton im funkelnden Abendkleid den Gloria-Gaynor- Klassiker „I Am What I Am“ performt, hat er die Herzen aller Anwesenden erobert. Wer Tim Koller als CAVEQUEEN im Schmidt Theater erlebt hat, kann sich nicht vorstellen, dass der sympathische Entertainer vor seinem ersten Auftritt massives Lampenfieber hatte. „Ich hatte noch nie so viel Angst vor einer Premiere, weil es auch meine erste One-Man-Show war. Ich konnte vor der Premiere kaum schlafen und hatte schreckliche Alpträume. An den Abend selbst kann ich mich kaum noch erinnern, nur dass ich einen kleinen Hänger fast am Ende der Show hatte. Drei Tage lang fühlte ich mich wie nach einem Marathon, alles tat mir weh, ich hatte sogar Muskelkater“, erinnert sich das Multitalent lächelnd. Mittlerweile habe er genug Routine, um sich ganz entspannt vor dem Auftritt seinen Sprechübungen zu widmen, damit bei all den flotten Sprüchen Lippen und Kiefer mit der Stimme mithalten können. Obwohl er selbst homosexuell sei, müsse er sich aber trotzdem erst in die klischeehafte Rolle des Sven auf der Bühne hineinfühlen. „Ich bin nicht der klassische Schwule, bin nicht in der Szene unterwegs und habe eigentlich ein stinknormales Privatleben. Klar spiegeln ein paar der Episoden auch meinen Alltag wider – welche verrate ich aber nicht“, schmunzelt der Wahlhamburger, der mit seinem Lebensgefährten in St. Georg wohnt und so oft es geht mit den Nachbarn und deren Nachwuchs im großen Innenhof gemeinsame Essen veranstaltet. Kochen und Essen sei generell seine Leidenschaft und helfe ihm, zu entspannen. Natürlich komme auch oft eine österreichische Spezialität aus seiner Heimat auf den Tisch wie Wiener Schnitzel. Mittlerweile wage er sich sogar neben seinem legendären Kaiserschmarrn mit selbstgemachtem Apfelmus an kompliziertere Mehlspeisen wie Dampfnudeln heran. Auch gehe er gerne essen, z. B. zu einem grandiosen Thailänder in der Hafencity. Zurzeit hat Tim Koller aber weder für das eine noch für das andere viel Zeit, da der beliebte Schauspieler gleich mehrere Engagements hat. Einige sogar am selben Tag. „Da habe ich in der Garderobe lieber alle Rollenbücher dabei. Auch wenn ich nicht reinschauen muss, gibt mir das die Sicherheit, dass ich nicht plötzlich auf der Bühne die Dialoge durcheinanderwirbele.“ Tim Koller steht nicht nur in CAVEQUEEN auf der Bühne, sondern auch in den Erfolgsstücken „Nachttankstelle“ im St. Pauli Theater, „Die Königs vom Kiez“ und in „Der kleine Störtebeker“ im Schmidt Theater. Außerdem sticht er bereits im vierten Jahr mit seinem eigenen KinderMitmachStück „Capt’n Diego und die wasserwilde Reise zum Zuckerhut“ auf dem Museumsschiff Cap San Diego im Hamburger Hafen in See. Und das nicht nur als Schauspieler – sondern auch als Autor, Regisseur und Produzent. Nachwuchspreis und Buddenbrocks Aufgewachsen im österreichischen Oberndorf, besuchte er als „Grenzgänger“ im bayrischen Burghausen die Schule, brach mit 17 das Gymnasium ab und schrieb sich an der dortigen Schauspielschule ein. Später setzte er seine Ausbildung in Hamburg fort und erhielt 2003 den Friedrich-Schütter-Preis für Nachwuchsschauspieler. Nach dem Studium führte ihn sein Weg auf das Theaterschiff Bremen und ans Bremer Theater am Goetheplatz. Weitere Stationen waren das Deutsche Schauspielhaus und das St. Pauli Theater in Hamburg, die Stockerauer Festspiele in Österreich und das Staatstheater Wiesbaden. Auch auf der Leinwand und im Fernsehen konnte man den vielseitigen  Jungschauspieler schon sehen. Im Kino war er u. a. in Thomas Manns „Die Buddenbrooks“ oder „Hier kommt Lola“ zu erleben. Außerdem wirkte er bei Serien wie „Notruf Hafenkante“ und „Alarm für Cobra 11“ mit. Ein Dreh, an den sich der 34-Jährige gern zurück erinnert. „Eigentlich waren die ganzen Dreharbeiten wie ein großer Männerspielplatz. Mit viel Spaß wurden Autos in die Luft gesprengt und Stuntszenen bewundert. Ich wurde toll von allen aufgenommen, es gab kein Kräftemessen, wer besser ist als die anderen, sondern eine super entspannte Kameradschaft.“ Eigentlich würde er gerne öfter was fürs Fernsehen drehen, auch eine gute Serie oder einen tollen skurrilen Kinofilm à la Tim Burton. Zurzeit fehle ihm aber dafür die Zeit. Außerdem sei es gerade fast wie eine Sucht als CAVEQUEEN aufzutreten. „Du stehst allein auf der Bühne, musst rund zwei Stunden dein Bestes geben und bist ganz auf dich gestellt. Aber wenn Du das Publikum geknackt hast und es bei allen Späßen mitgeht, ist das ein tolles Gefühl. Meinen unglaublichsten Auftritt hatte ich übrigens in Bad Pyrmont. Das Publikum ist abgegangen wie Schmitz Katze“, sagt der  Alleinunterhalter. Wenn er aber merken würde, dass er nicht mehr mit dem Herzen bei der Sache ist, würde er nicht nur „für die Miete“ arbeiten. Für diesen Fall hat sich Tim Koller ein zweites Standbein geschaffen und eine kleine „Ein-Mann-Event-Agentur“ aufgebaut. Hoffen wir aber trotzdem, dass er noch ganz lange auf beiden Beinen – mit Stöckelschuhen, Hip Hopper Sneakers oder Gaukler-Hironymus-Stiefeln – sein Publikum begeistert.