4 Fragen an die Generalsekretäre/Landesvorsitzenden der großen Parteien
Was motiviert Sie persönlich, so viel Kraft, Gedanken und Zeit in den Wahlkampf zu investieren?
Olaf Scholz, SPD: Ich mache Politik, damit das Leben der Bürgerinnen und Bürger besser wird. Wir brauchen in Deutschland eine Politik, die langfristig in den Blick nimmt, wie wir die Grundlagen unseres wirtschaftlichen Wohlstands und des gesellschaftlichen Zusammenhalts sichern können. Wir müssen mehr in die Bildung investieren und die Familien durch gebührenfreie Krippen und Kitas und Ganztagsangebote entlasten. Und damit das Leben bezahlbar bleibt, müssen genügend Wohnungen entstehen. Dafür steht die SPD, dafür setzte ich mich ein.
Dr. Roland Heintze, CDU: Die größte Motivation im Wahlkampf ist wohl für jeden Christdemokraten, mit unserer erfolgreichen Politik die Bundesrepublik für vier weitere Jahre zu gestalten und mit einer CDU-geführten Bundesregierung unser Land zu leiten. Wenn man eine klare Vision von der Zukunft Deutschlands hat, die für alle Generationen funktioniert, dann ist das konkrete Wahlziel gleich viel näher. Das hat die CDU, im Bund genauso wie in Hamburg, weshalb ich mit viel Freude meine Zeit in den Wahlkampf investiere.
Katja Suding, FDP: Unser Land zu gestalten, die Lebensbedingungen besonders der Hamburger zu verbessern, das hat mich immer fasziniert. Die Freien Demokraten haben dazu auch aus der Opposition im Rathaus heraus einiges erreicht: Schuldenbremse, Verbesserungen in der schwachen rot-grünen Schulpolitik, Druck gegen die verkorkste Verkehrspolitik sind da nur einige Stichworte. Ich bin sicher, dass ich das auch im Bundestag für Hamburg kann, egal ob die FDP in der Opposition oder sogar wieder in der Regierung arbeitet.
Anna Gallina, Bündnis 90/Die Grünen: Es geht jetzt um die großen Richtungsfragen: Wohin entwickeln sich Deutschland und Europa? Bleiben wir eine weltoffene Gesellschaft? Wie bewältigen wir die Klimakrise? Nach dem Ausstieg der USA aus dem Pariser Abkommen müssen wir entschlossener denn je für den Klimaschutz kämpfen. Wie können wir künftig gesund und gut miteinander leben, ohne dass jemand zurückbleibt? Diese Fragen sind elementar und sie werden von vielen engagierten Menschen bei den Grünen bewegt. Das motiviert mich enorm.
Martin Wittmaack,DIE LINKE: Ich bin ein demokratischer Sozialist aus Überzeugung und glaube, dass das Angebot der LINKEN für einen grundlegenden Politikwechsel, der sozial und gerecht sein muss und für alle etwas bringen würde, die richtige Richtung für die Beantwortung der Krisen der Gesellschaft ist. Zudem ist es mir auch gerade persönlich ein Anliegen mit Menschen über ihre Sorgen und Nöte zu reden. Wahlkampf sollte immer auch viel Zuhören und Reden mit den Wählerinnen und Wählern sein.
Was schätzen Sie am Spitzenkandidaten Ihrer Partei am meisten?
Olaf Scholz, SPD: Martin Schulz genießt große Sympathien und er hat die Fähigkeit, die Bürgerinnen und Bürger für Politik zu begeistern.
Dr. Roland Heintze, CDU: Unsere Bundeskanzlerin ist eine starke Frau, die sich, auch durch ihre Vergangenheit geprägt, mit ihrer sachlichen und gründlichen Art für die Ziele der Union einsetzt. Angela Merkel ist bereit, für ihre Werte zu kämpfen, und ist dabei glaubwürdig. Wir haben eine Regierungschefin, die Deutschland auch international beispielhaft vertritt, wenn es nottut, deutliche Worte findet und die EU zusammenhält. Seit 2005 ist Angela Merkels Politik der Stabilitätsanker, den wir auch weiterhin brauchen.
Katja Suding, FDP: Christian Lindner hat Charisma und bleibt trotzdem immer Teamplayer. Er ist sehr eloquent, kann aber gleichwohl zuhören. Er versteht es Menschen mitzunehmen, vom engsten Führungskreis der Partei über die wachsende Mitgliedschaft bis zu den Wählern, und dennoch klare Positionen zu beziehen. Er hat in den letzten Jahren große Ausdauer und Beharrlichkeit bewiesen, die sich auf die Partei übertragen hat – eine wichtige Grundlage, um eine erfolgreiche FDP wieder in den Bundestag zurückzuführen.
Anna Gallina, Bündnis 90/Die Grünen: Katrin Göring-Eckardt ist eine sehr kluge und starke Frau, die mit Herz, Verstand und Empathie Politik macht. Eben nicht abgehoben und fern der Sorgen und Themen der Menschen. Das ist wichtiger denn je.
Cem Özdemir redet Klartext statt Plastikdeutsch. Er scheut auch nicht die Auseinandersetzung, selbst wenn es für ihn persönlich richtig hart wird, wie bei der Armenienresolution.
Martin Wittmaack,DIE LINKE: Fabio De Masi ist ein hochkompetenter Streiter für eine alternative linke Wirtschaftspolitik, der es versteht in einfachen und verständlichen Worten unsere Alternativen zur Politik des „Weiter so“ der anderen Parteien deutlich zu machen: für mehr soziale Gerechtigkeit, Umverteilung von oben nach unten, aber auch für Abrüstung und eine friedliche Außenpolitik. Ebenso hat er als Europaabgeordneter bewiesen, dass er der Verflechtung von Wirtschaftsakteuren und Politik äußerst kritisch gegenübersteht.
Nicht erst seit einem ständig twitternden Donald Trump drängt sich die Frage auf: Welche Rolle spielen die sozialen Medien?
Olaf Scholz, SPD: Soziale Medien spielen in der öffentlichen Kommunikation eine zunehmend wichtige Rolle. Manche behaupten sogar, ein Post oder ein Tweet könne alles ins Wanken bringen. Zum Glück verfügen wir in Deutschland über Medien, die ihre investigative Wächter-Rolle weitestgehend wahrnehmen, über relevante Themen berichten und auf drastische Ereignisse auf eine besonnene Weise reagieren. Dafür sollten und dürfen wir dankbar sein.
Dr. Roland Heintze, CDU: Nicht nur im Wahlkampf sind soziale Medien für politische Parteien interessant. Um als Politiker heutzutage noch alle Wähler zu erreichen, sowohl vor der Wahl als auch in der Legislaturperiode zur Information über die parlamentarische Arbeit, ist die Mitgliedschaft in den sozialen Medien unumgänglich. Dass staatstragende Entscheidungen auf Twitter verkündet werden, anstatt die Presse zu informieren, halte ich für bedenklich. Wertvolle Inhalte könnten bei 140 Zeichen auf der Strecke bleiben.
Katja Suding, FDP: Sie werden immer wichtiger: Wir haben schon in unserem Bürgerschaftswahlkampf 2015 Facebook, Twitter und Co intensiv und erfolgreich genutzt. Und das nicht nur zum Senden unserer Botschaften, sondern auch für den Dialog mit den Wählern, vor allem den jungen. Das war bei den Landtagswahlen in NRW und Schleswig-Holstein ein Feld, in dem die FDP allen anderen Parteien voraus war, und das werden wir zur Bundestagswahl weiter so halten.
Anna Gallina, Bündnis 90/Die Grünen: Eine große Rolle. Ihre Reichweite geht oft über die von Printmedien hinaus. Die Menschen haben den Anspruch, dass man mit ihnen direkt über die sozialen Medien ins Gespräch kommt und Informationen zur Verfügung stellt. Es entsteht eine Nähe, die es vorher so nicht gab. Gleichzeitig sorgt die Anonymität dafür, dass manche ihre Kinderstube vergessen. Fairness ist für uns GRÜNE oberstes Gebot, ob on- oder offline. Wir haben uns verpflichtet: keine Bots, keine Fake News, keine Diffamierungen.
Martin Wittmaack,DIE LINKE: Sie spielen eine immer größere Rolle im Wahlkampf, weil die WählerInnen und auch die eigenen AnhängerInnen sie in immer stärkerem Maße nutzen und selbst über sie kommunizieren. Dies erfordert aber auch eine größere Sorgfalt von den Parteien bei deren Nutzung.Nicht jede Nachricht oder jeder Kommentar dort hat dieselbe Bedeutung wie ein mit mehr Recherche in klassischen Medien produzierter Beitrag oder ein mit mehr Bedacht geschriebener herkömmlicher Brief. Hier müssen wir alle noch dazulernen.
Mit zunehmender Dauer des Wahlkampfs wird der Umgangston rauer. Täuscht der Eindruck? Was wünschen Sie sich persönlich im Umgang mit den „Mitbewerbern“?
Olaf Scholz, SPD: Ich bin Hanseat. Ich setze immer auf sachliche Argumente. Das klappt meistens.
Dr. Roland Heintze, CDU: Es ist erfrischend, wenn in der Sache hart diskutiert werden kann. Dass der Ton dabei bisweilen auch schärfer wird, ist für die Politik keine Neuerung. Ein Wahlkampf ist für alle immer auch emotional. Natürlich hat jede Auseinandersetzung ihre moralischen und rechtlichen Grenzen und die kennen auch die meisten Volksvertreter. Die Wählerinnen und Wähler merken schnell, wenn jemand über das Ziel hinausschießt. Die Populisten und Polemiker werden sich früher oder später dafür verantworten.
Katja Suding, FDP: Von FDP-Seite aus wird der Ton nicht rauer. Als Partei der vernünftigen Mitte lassen wie uns nicht auf einen Tonfall unter der Gürtellinie ein. Dennoch: Wenn uns ein Mitbewerber dumm kommt, dann machen wir klar, was wir von inakzeptablen Äußerungen halten. Ansonsten gilt: Die Sache zählt!
Anna Gallina, Bündnis 90/Die Grünen: Der Eindruck täuscht nicht. Zuspitzung und Härte gehören zum Geschäft, aber bei Beleidigungen und Beschimpfungen hört für mich der Spaß auf. Gekämpft wird mit offenem Visier. Wir sollten alle davon ausgehen, dass es Gründe gibt für unterschiedliche Positionen – auch wenn man sie nicht teilt. Gemeinsame Basis der demokratischen Parteien sind die Werte des Grundgesetzes. Und die sollten wir auch gemeinsam gegen diejenigen verteidigen, die Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte infrage stellen.
Martin Wittmaack,DIE LINKE: Mir ist wichtig, dass es inhaltlich bleibt und dass es um die unterschiedliche Sicht auf die Probleme der Gesellschaft und die Lösungsansätze, die die Parteien dafür haben, geht. Private Vorlieben von Kandidierenden oder ihre Familienverhältnisse sollten gar keine Rolle spielen. Eine gewisse Schärfe liegt darin, dass die von den in den letzten Jahrzehnten regierenden Parteien erzeugten Probleme – z. B. die globale und nationale Verteilungsungerechtigkeit – immer größer geworden sind.