Überall, wo eine Lampe angeht, schwirrt der Mommsen rum!

Seit 15 Jahren sind Sabine Postel als Hauptkommissarin Inga Lürsen und Oliver Mommsen als Kommissar Nils Stedefreund das charmanteste Team der „Tatort“-Familie - © Radio Bremen – Foto: Stephan Pick

Oliver Mommsen, Jahrgang 1969, kennen alle Krimifreunde. Der gebürtige Düsseldorfer ist ein Ururenkel des Historikers und Literaturnobelpreisträgers Theodor Mommsen. Er spielt seit 2001 im Bremer „Tatort“ den Ermittler Nils Stedefreund, der zum attraktivsten „Tatort“-Kommissar gewählt wurde. Der 43-Jährige ist oft im Fernsehen zu sehen, u. a. im romantischen Thriller „Ohne Dich“, dem Drama „Komasaufen“ und in dem preisgekrönten Streifen „Ein offener Käfig“. 2015 drehte er u. a. den Kinofilm „Die Haut der anderen“ und die ARD-Komödie „Eltern allein zu Haus“. Wir trafen den Strahlemann in einem seiner Lieblingslokale, wo er nicht nur über „Tatort“, sondern auch über seine Arbeit fürs Kino und fürs Theater sprach.

Oliver, warum sind Sie in Berlin gelandet? Wo denn sonst, wenn du im deutschsprachigen Raum inspiriert sein möchtest? Hier bekommst du jeden Tag Straßentheater geliefert. Im New York der Achtzigerjahre hätte ich mir auch vorstellen können zu leben.

Es war also Liebe auf den ersten Blick? Mein Stiefbruder zog 1988 hierher, um der Bundeswehr zu entkommen, während ich noch brav meinen Zivildienst in Düsseldorf leistete. Ich hab ihn natürlich in Berlin besucht und wir sind oft zusammen mit einem Kumpel nachts durch die Stadt gefahren. Ich war und bin fasziniert von Berlin. Die Stadt sucht sich, es ist Platz für alle, großes Leben und Lebenlassen, und die Mischung ist der Hammer.

© Radio Bremen – Foto: Stephan Pick
© Radio Bremen – Foto: Stephan Pick

Hier bleibt man auch mal unerkannt. Im Gegensatz zu Bremen, oder, Herr Stedefreund? In Bremen muss ich manchmal auf kleinere Straßen ausweichen. Die lieben dort ihre Kommissare, du wirst zum Kulturgut. Generell macht es aber großen Spaß, wenn man als Polizist angequatscht wird – so nach dem Motto: „Hey, da sind wir ja jetzt sicher.“ Es herrscht dort auch eine entspanntere Atmosphäre zu arbeiten. In Bremen fliegt einem die Sympathie zu. In Berlin und Köln hingegen sind die Leute mittlerweile von Filmteams eher genervt und es ist schwieriger, was Drehgenehmigungen angeht.

In Berlin haben Sie ja die Komödie „Handwerker und andere Katastrophen“ zusammen mit Tanja Wedhorn gedreht. Da ziehen Sie als Paar in ein Haus, das sich als Bruchbude herausstellt. Lief Ende Juli im ZDF. Ja, in dem Film ging es um den Traum vom Eigenheim. Da vertrauen wir blind einem Bauleiter, großartig gespielt von Jürgen Tarrach. Ein fataler Fehler.

15 Jahre Stedefreund, Sie sind ja schon ein „Tatort“-Urgestein. Wie fühlen Sie sich damit? Wenn ich mir die erste Folge anschaue, in der ich als Urlaubsvertretung von Inga Lürsen einsteige, denke ich: Dem Milchbubi darfst du doch keine Knarre in die Hand drücken! Was wir schon alles ausprobiert haben, wie wir schon gegeneinander ausgespielt wurden. Das lange Findendürfen einer Figur über Jahre ist wirklich ein Geschenk. Manchmal kann man nur ganz wenig von sich zeigen und dann kommt plötzlich so etwas wie „Scheherazade“.

Das war die „Tatort“-Folge, in der sich Stedefreund verliebt und wofür Sie 2006 beim „Deutschen Fernseh-Krimi-Festival“ als bester Nebendarsteller ausgezeichnet wurden. Da bin ich in die Thematik voll eingestiegen und mit den beiden Regisseuren fast eine Beziehung eingegangen. Da denkt man: Jetzt mach ich Filme! Und im nächsten Tatort stand ich als Lederjackenmodel in der Ecke, weil da der Fall total im Vordergrund stand. Die Mischung macht‘s. Es ist jedenfalls immer aufregend, wenn das neue Drehbuch aus Bremen kommt.

Wie ist das Verhältnis zu Ihrer Filmkollegin? Nils Stedefreund ist ein sehr kontrollierter und gerader Typ. Inga Lürsen gegenüber ist er immer loyal. Er legt auch mal seinen Dünkel beiseite und geht mit ihr durch die Wand, um sie danach zu fragen: Musste das sein? Er rettet ihr jederzeit sofort den Arsch, hat aber auch viel von ihr gelernt.

Schauen Sie die anderen „Tatorte“ privat an und diskutieren darüber? Sabine Postel schaut sie im Gegensatz zu mir fast alle an. Wir reden darüber und sind nicht immer einer Meinung. Über den Tukur-„Tatort“ haben wir uns z. B. gestritten.

Haben Sie schon als Jugendlicher „Tatort“ geschaut, und gibt es Vorbilder? Beim „Tatort“? Das fing für mich erst mit Schimanski im schmutzigen Dortmund an. Da machte es klick, ab da war ich dabei. Sonst hab ich damals eher amerikanische Serien wie „Kojak“, „Die Straßen von San Francisco“ und „Columbo“ geguckt. Und Vorbilder? Vorneweg die großen drei: Pacino, De Niro und Nicholson und eine ganze Menge mehr.

2016 haben Sie gleich zwei „Tatort“-Folgen hintereinander gedreht. Was können Sie über die aktuelle Folge, die am 30. Oktober als Teil der ARD-Themenwoche „Zukunft der Arbeit“ läuft, verraten? „Echolot“ wird sie heißen. Es geht darin um künstliche Intelligenz und die Startup- Szene. Wir nehmen da Sachen, die heutzutage möglich sind, und drehen an der Schraube noch etwas weiter. Da fängt das Geschichtenerzählen an. Wir sind nicht die „Tagesschau“ und dürfen ja über das Ziel hinausschießen.

Fürs Kino haben Sie jetzt „Die Haut der anderen“ gedreht. Ja, das ist eine etwas andere Liebesgeschichte vom Berliner Regisseur Thomas Stiller. Den drehten wir mit ganz wenig Geld, quasi ein Studentenfilm mit Profis. Darin trifft ein pornosüchtiger Erfolgsautor auf eine Krankenschwester mit Todesfetisch. Auf ein tolles Festival sind wir bereits eingeladen.

Zum Theater: Sie haben ja hier in Berlin damit angefangen. Ja, das war bei kleinen Off-Theatern wie dem Zerbrochenen Fenster und dem Fliegenden Theater in den Neunzigern. Dann kam das Fernsehen, und ich dachte das war‘s jetzt mit der Bühne, aber 2010 erinnerte sich Martin Wölfer von der Komödie am Kurfürstendamm an mich …

… und Sie sind auf die Bühne zurückgekehrt. Mit Erfolg! Für „Eine Sommernacht“ bekamen wir 2013 bei den Privattheatertagen in Hamburg den Monica-Bleibtreu-Preis. Zusammen mit Tanja Wedhorn hab ich diesen Sommer mit „Lieber schön“, das wir an der Komödie am Kurfürstendamm spielen, wieder bei den Hamburger Privattheatertagen gastiert. Das war ein regelrechter Rausch. Und in Dieter Hallervordens Schlosspark Theater war ich in „The King‘s Speech“ dabei. Dieses Jahr spiele ich dort in „Minna von Barnhelm“. Überall, wo eine Lampe angeht, schwirrt der Mommsen rum!

Welche Rolle würden Sie denn gern mal spielen? Ich würde gern einmal ein raffiniertes Monster spielen. Oder noch einmal so etwas ganz Gerades wie in „Der offene Käfig“. Oder etwas ganz Schrilles, eine Transengeschichte, das wäre auch toll.

Ihre Frau Nicola haben Sie bei einer Abi-Party im Internat kennengelernt. Sie kennen sich also fast 30 Jahre, sind seit sieben Jahren verheiratet und haben zwei Kinder, 14 und 19 Jahre alt. Wie ist das so als Paar, wenn man sich so lange kennt und erfolgreich eine Beziehung führt? Es ist definitiv nicht leicht, mit einem Schauspieler zusammen zu sein, weil der Beruf sehr präsent ist.

Und was Ihre Beziehung angeht? Dieses immer wieder neue Kennenlernen war stets ein Jungbrunnen und Motor für uns. Wir sind beide sehr am Ackern. Da findet Beziehung teilweise sehr sparsam statt. Nici schreibt Drehbücher, die ich manchmal auch zu lesen bekomme. Das ist jedes Mal ein sehr spannender Eiertanz, den Partner zu kritisieren.