200 Jahre Mode

MK_G_Dressed_Ausstellungsansicht, Foto: Henning Rogge, Hamburg
MK_G_Dressed_Ausstellungsansicht, Foto: Henning Rogge, Hamburg

Die eigene Garderobe gehört zum persönlichsten Besitz eines Menschen. Nichts ist uns körperlich näher. Neben ihrer praktischen Funktion ist sie außerdem ein nuancenreiches Mittel der Kommunikation und der Selbstgestaltung. Die Ausstellung DRESSED. 7 FRAUEN – 200 JAHRE MODE stellt im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg sieben besondere Frauen und ihre Garderoben vor, beginnend im 19. Jahrhundert bis heute.

Im Mittelpunkt stehen die Trägerinnen, die zugleich Performerinnen und Konsumentinnen von Mode sind, ihre Persönlichkeiten und ihre Biografien. Ob Haute Couture, Alltags-, Protest- oder Avantgardemode: So unterschiedlich wie die Lebensläufe sind auch ihre Kleider. Sie erzählen von Ehefrauen der gehobenen Gesellschaft, von einem durch Krankheit gezeichneten Dasein, von „Power Dressing“ und Selbstbewusstsein in der Chefetage, von der Hamburger Punkszene und der widerständigen Ästhetik einer Kunst- und Designsammlerin. Die Auswahl der Protagonistinnen erfolgte nicht nach Status oder Prominenz, sie bildet vielmehr eine möglichst große Vielfalt von weiblichen Lebensentwürfen und deren modischem Ausdruck ab. Ausgehend von der Sammlung Mode und Textil im MK&G zeichnen rund 150 Kleidungsstücke und Accessoires sieben Lebenslinien sowie 200 Jahre Mode-, Emanzipations- und Zeitgeschichte nach. Sie stammen von bekannten Designerinnen, Couturires und Modeateliers wie Worth, Elsa Schiaparelli, Yves Saint Laurent, Yohji Yamamoto, Rei Kawakubo oder Martin Margiela, aber auch von anonymen Schneiderinnen und Hausnäherinnen. Ergänzt werden sie um biografische Zeugnisse, Fotografien und Dokumente.

„Die Geschichte der Kleidung ist die Geschichte des Menschen. Die Geschichte der Mode ist die Geschichte unseres gesellschaftlichen Selbstbilds. Das MK&G sensibilisiert uns mit der Ausstellung in einer Zeit des materiellen Hyperkonsums einmal mehr um den gesellschaftlichen Wert von Kleidung“, sagte Senator Dr. Carsten Brosda bei der Eröffnung. „Die Idee, sich über die sieben gezeigten Garderoben nicht nur der Modegeschichte, sondern auch den ehemaligen Trägerinnen anzunähern, begeisterte mich sofort“, so Tulga Beyerle, MK&G-Direktorin.

Blechschmidt, Foto: Anne Schönharting / Agentur Ostkreuz

Sieben Persönlichkeiten – sieben Gardroben

Das früheste Konvolut von Elise Fränckel (1807–1898) besteht vor allem aus Accessoires und zeigt, wie modisch up to date sich die Senatorengattin aus dem holsteinischen Oldenburg um 1820 kleidete. Die Garderobe der Diplomatengattin Edith von Maltzan Freifrau zu Wartenberg und Penzlin (1886–1976) umfasst sowohl exquisite Abend- und Gesellschaftstoiletten als auch elegante Tageskleidung aus den Jahren 1895 bis 1950. Das Leben und die Kleidung von Erika Holst (1917–1946) sind vom Krieg und ihrer Tuberkuloseerkrankung gekennzeichnet. Ihre Garderobe enthält überwiegend Tageskleidung der Jahre 1935-45. Die Hamburger Galeristin und Museumsgründerin Elke Dröscher (* 1941) trug zwischen 1968 und 1986 fast ausschließlich Prêt-à-Porter-Mode von Yves Saint Laurent und realisierte damit eine Form von „Power Dressing“.

Elise Fraenckel, Fotos: Anne Schönharting / Agentur Ostkreuz

Ines Ortner (* 1968), seit Mitte der 1980er Jahre in der Hamburger Punkszene aktiv, verbindet das Interesse an Mode mit ihrer gesellschaftskritischen Einstellung in „selbstgebauten“, teilweise anarchischen Kleid-Objekten. Angelica Blechschmidt (1942–2018) war von 1989 bis 2002 Chefredakteurin der deutschen Vogue und repräsentierte mit ihrem gesamten Habitus die High-End-Produkte der internationalen Modehäuser. Ihre „Berufskleidung“ waren schwarze Cocktailkleider in Kombination mit großformatigem Modeschmuck. Die Kunst- und Designsammlerin Anne Lühn (* 1944) hat dem MK&G über viele Jahre Einzelstücke aus ihrer Garderobe überlassen. Die ausgewählten Protagonistinnen werfen Schlaglichter auf die Entwicklung der Mode seit dem frühen 19. Jahrhundert. Der Zweite Weltkrieg markierte einen deutlichen Einschnitt für weibliche Lebensentwürfe, ablesbar an Familienstand und Berufstätigkeit der porträtierten Frauen. Die nach 1940 geborenen Frauen sind nicht mehr allein auf die Rolle als Mutter, Ehe- und Hausfrau festgelegt, sondern können eigene berufliche Ziele verfolgen. Die getragene Mode erzählt auch von politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen wie z. B. das Verschwinden des Korsetts nach dem Ersten Weltkrieg etwa zeitgleich mit der Einführung des Frauenwahlrechts oder der Vormarsch der Hose ab den 1970er Jahren geht einher mit der Emanzipationsbewegung.

Die Ausstellung wird gefördert durch den Ausstellungsfonds der Freien und Hansestadt Hamburg, die Hubertus Wald Stiftung und die Ernst von Siemens Kunststiftung. Sie ist noch bis zum 28. August 2022 zu erleben.

www.mkg-hamburg.de