
Redewendungen wie „Die Angst sitzt mir im Nacken“ oder „Er trägt die Last auf seinen Schultern“ haben eine lange Tradition, doch nicht nur im übertragenen Sinne muss der Schulter- und Nackenbereich oftmals einiges aushalten. Nicht ohne Folgen: „Beinahe jeder Mensch hatte schon einmal Nackenschmerzen“, so Dr. Munther Sabarini, Neurochirurg und Gründer der Avicenna Klinik.

Die Schmerzen entstehen hauptsächlich durch Über- oder Fehlbeanspruchung der Muskulatur und sind das Ergebnis einer verspannten Muskulatur im Halsbereich. Doch auch falsches Liegen oder Verletzungen führen zu Nackenbeschwerden.
Nahrung für das Schmerzgedächtnis
Bestehend aus mehreren Muskelgruppen, unzähligen Nerven und sieben Wirbelkörpern stellt der Nacken neben der Haltung und Zentrierung des Kopfes auch dessen Beweglichkeit sicher. Daher beschränken sich Schmerzen in dieser Region selten nur auf den Schulterbereich, sondern strahlen weiter bis zum Kopf und in die Arme aus. „Eine Über- oder Fehlbelastung strapaziert auf Dauer die Haltekapazität der Muskulatur“, erläutert Dr. Sabarini. „Dadurch verhärtet diese und es kommt zu Schmerzen. In der Folge nehmen Betroffene instinktiv eine Schonhaltung ein, was die Beschwerden noch verstärken kann.“
Volkskrankheit Handynacken
Oftmals reagiert der Nacken auf langes Verharren in einer Fehlhaltung mit schmerzhafter Verkrampfung. Doch auch infolge eines Unfalls oder aufgrund von Stress spannt sich der Körper an. Als häufigster Grund für Verspannungen oberhalb der Rumpfregion gilt heutzutage jedoch der ständige Blick nach unten. Eine unzureichende Durchblutung in Kombination mit längerer Muskelanspannung führt hier zu den Beschwerden im Schulter-Nackenbereich, dem sogenannten Handynacken. Begünstigt wird dieser durch den häufigen und oft auch längeren Blick auf das Smartphone – sei es zum Surfen, Schreiben oder Spielen. Denn dabei neigt sich der Kopf um etwa 45 Grad, sodass zu dem Grundgewicht des Kopfes zusätzlich etwa 20 Kilogramm auf die Wirbelsäule einwirken – das entspricht dem Gewicht einer Wasserkiste. Durch die gesenkte Haltung des Kopfes muss die Halswirbelsäule einer enormen Kraft entgegenwirken, denn in der Handyposition befinden sich die kleinen Gelenke zwischen den Wirbelkörpern in einer Endposition und die Gelenkkapseln sowie Bänder sind ständig gedehnt, die Muskulatur steht unter Anspannung. „Beim Blick auf mobile Geräte empfehle ich immer aufrecht zu sitzen und das Smartphone vor dem Gesicht zu halten, anstatt sich drüber zu beugen“, so Dr. Sabarini. „Dabei gilt grundsätzlich: Je ausgiebiger die Nutzungsdauer, desto mehr Belastung für Nacken und Schultern.“ Auch langanhaltendes Sitzen und zu wenig Bewegungspausen während der Nutzung elektronischer Geräte tragen zur Entstehung eines Handynackens bei.
Endlich schmerzfrei
Leiden Betroffene unter Beschwerden in der Nacken- und Schulterregion aufgrund von Verspannungen, helfen in der Regel Wärmebehandlungen, Entspannungsübungen, mehr Bewegung oder leichte Schmerzmittel, die zudem einer Schonhaltung vorbeugen. Besonders wer im Alltag lange sitzt, sollte etwa alle 30 Minuten aufstehen und sich strecken und ein paar Schritte laufen. Durch bewusstes Kreisen mit Kopf und Armen lassen sich verspannte Muskeln zusätzlich lockern. Dazu den Kopf langsam nach vorn auf die Brust und dann in den Nacken legen. Langfristig sollte jedoch die Vorbeugung im Vordergrund der Therapie stehen. Hierzu eignen sich etwa Physiotherapie oder Krankengymnastik. Mit gezielten Übungen, welche die Muskulatur stärken, lässt sich hier eine gute Körperhaltung aufbauen. Auch osteopathische Behandlungen bieten eine gute Möglichkeit, Beschwerden entgegenzuwirken. Dabei werden Blockaden, die etwa durch den Handynacken entstanden sind, aufgelöst. „Tritt keine Besserung ein oder verschlechtert sich der Zustand gar, sodass die Schmerzen bis in die Arme ausstrahlen oder die Hände einschlafen, sollten Betroffene einen Arzt aufsuchen“, empfiehlt der Berliner Neurochirurg. „Denn teilweise liegen andere Ursachen wie ein Bandscheibenvorfall oder eine Arthrose der Wirbelgelenke in der Halswirbelsäule vor, die eine spezifische Behandlung erfordern.“