Armbanduhren in Zeiten von Handys? Auch wenn man sie zum Anzeigen der Uhrzeit nicht unbedingt braucht, erfreuen sie sich gute Uhren großer Beliebtheit.
Die Anlässe für den Kauf sind vielfältig, z.B. die Geburt eines Kindes. Emotionale Gründe entscheiden über die Auswahl. Seine Kunden beschreibt Sebastian Hillebrand als bodenständig und oft technisch orientiert. Wer sich für mechanische Uhren begeistert, gibt im Schnitt um die 10.000 Euro für seine neue Uhr aus. In letzter Zeit beobachtet er, dass sich viele Kunden für kleinere Uhren entscheiden. Selbst Uhrenmarken, zu deren DNA besonders große Gehäuse gehören, ziehen in diesem Bereich mit. Der in Italien gegründete Hersteller Panerai z.B. bietet mit seiner neuen „Quaranta“ Linie eine 40mm-Uhr an. Das sei fast „unisex“. Der Gebrauchtuhrenmarkt ist für Sebastian Hillebrand und seine Kollegen eine wichtige Informationsquelle, um festzustellen, wie „heiß“ die aktuelle Neuware ist. Denn der Wertverlust hält sich bei Uhren in Grenzen: Bei einer neuen Uhr im Wert von 7.000 Euro z.B. ist nur ein geringer Wertabschlag im einstelligen Prozentbereich als gebrauchte Uhr zu erwarten. Gebrauchsspuren sind beim Wert nicht so sehr entscheidend, sondern viel mehr „Reputationsfaktoren wie Marke und Herstellungsjahr.“ In der Zukunft sieht Dr. Hillebrand „weniger Händler, dafür eigene Läden von Herstellern“ sowie einen gewissen „Nachholbedarf bei der Einkaufserfahrung“ seitens der Branche. Eine immer anspruchsvollere Kundschaft wünscht sich u.a. eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit.
Joachim Dünkelmann ist Geschäftsführer des Zentralverbands für Uhren, Schmuck und Zeitmesstechnik, dem Bundesinnungsverband des Uhrmacherhandwerks, mit Sitz in Köln. Herr Dünkelmann, Sie selbst tragen heute eine Max Bill von Junghans, warum gerade die?
Das Bauhaus-Design liegt derzeit allgemein im Trend, aber ich habe sie schon ziemlich lange und trage sie immer wieder gern. Sie ist eine Art Symbiose aus schweizerischer und deutscher Uhrmacherkunst – das Werk ist aus der Schweiz, das Gehäuse aus dem Schwarzwald. Max Bill war Schweizer, studierte aber in Dessau am Bauhaus und lehrte beispielsweise in Ulm und Hamburg. Die Max Bill Chronoscope von Junghans ist nach meiner Meinung einer der schönsten Entwürfe, der seinen Namen tragen darf.
Wie geht es der Uhrenbranche aktuell?
Die Geschäfte laufen gut. Im Jahr 2022 konnte die Branche ein Umsatzplus von über 20 Prozent verzeichnen. Das ist ein enormes Ergebnis angesichts der herrschenden Multikrise, der Inflation und der sonst weitverbreiteten Kaufzurückhaltung. Die Menschen wollen sich offensichtlich etwas gönnen und nicht weiter zuschauen, wie ihr Geld auf der Bank immer weniger wird. Im laufenden Jahr sind die Umsätze leicht unter Vorjahr, aber angesichts der enorm starken Vorsaison liegen wir gut im Rennen. Die Uhrmacherei hat zudem seit Jahren Konjunktur. Das Interesse an mechanischen Uhren steigt und gleichzeitig gibt es immer weniger Uhrmacher. Viele Kollegen können sich vor Aufträgen kaum retten.
Wie würden Sie aktuelle Trends beim Kauf hochwertiger Uhren beschreiben?
Der Reiz von komplizierter Mechanik ist ungebrochen. Dabei ist die hochwertige mechanische Uhr schon lange keine Männerdomäne mehr. Das technische Interesse lockt aber vor allem Männer an. Es gab selten zuvor eine solche Vielfalt an Materialien und Designs, Komplikationen sowie Größen und Farben. Natürlich ist zu den Uhrenliebhabern in den letzten Jahren noch die Gruppe der Spekulanten hinzugekommen, aber Sammler gab es schon immer.
In welchem Preissegment macht die Branche die meisten Umsätze?
Die Umsätze sind in der Preisklasse ab 5.000 Euro am höchsten. Das liegt in der Natur der Sache, denn wertvolle Stücke erreichen ja auch fünf oder sechsstellige Preisklassen. Aber auch das Segment zwischen 1.000 und 5.000 Euro ist sehr erfolgreich und findet als erschwinglicher Luxus immer mehr Freunde.
Das Uhrwerk ist das Herz einer Uhr. Woran erkennt der Laie ein gutes Uhrwerk und überhaupt eine gute Uhr?
Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen: Ein Laie kann die Qualität der Technik selbst kaum einschätzen. Ohne die Fachberatung von einem Profi wird es schwierig sein, die handwerklichen Vorzüge und Besonderheiten einschätzen zu können. Bei mechanischen Uhren sind Ganggenauigkeit und Gangreserve natürlich ein Indiz, aber nur weil eine Uhr ein Automatik- oder Handaufzugswerk hat, ist sie nicht automatisch besser als eine Uhr mit Quarzwerk.
Es ist letztlich eine Frage des Anspruchs und der Erwartungshaltung, was eine Uhr können soll. Für den einen sind Optik und Ästhetik ausschlaggebend, der andere schwört auf Stoppuhr, Mondphase oder andere Komplikationen. Der eine braucht es robust und wasserdicht, der andere elegant und flach zur Abendgarderobe. Auch die Marke kann für Kunden durchaus kaufentscheidend sein. Der Begriff „gut“ ist aus Kundensicht also relativ. Es kommt darauf an, die passende Uhr zu finden. Hier kann der Juwelier oder Uhrmacher helfen.
Beim Gehäuse: Platin, Gold oder Stahl?
Oder vielleicht doch Titan oder Keramik? Wie es Ihnen gefällt. Meist verkauft ist jedenfalls Stahl, aber das muss Ihnen ja nicht gefallen.
Was für eine Art Armband empfehlen Sie?
Bei Leder in jedem Fall häufiger mal ein neues. Hautfreundlich sollte es sein und gut verarbeitet. Die Federstifte und Schließen sollten von Zeit zu Zeit vom Fachmann überprüft werden, damit das gute Stück sicher sitzt und nicht verloren geht. Dies gilt auch für Metallbänder, denen im Übrigen auch eine regelmäßige Reinigung durch den Profi sehr guttut. Das zur Uhr mitgelieferte Band passt in der Regel gut zum Gehäusedesign, aber hier kann man durchaus variieren. Zwischen Kautschuk und Alligator Leder gibt es eigentlich nichts, was es nicht gibt.
Stichwort Uhrenpflege, was gilt es dabei zu beachten?
Ich persönlich bekomme immer einen Anfall, wenn Menschen mit ihrer Uhr in die Sauna gehen. Die hohe Temperatur und der schnelle Temperaturwechsel lassen Schmierstoffe und Dichtungen rasant altern. Metalle dehnen sich aus und ziehen sich wieder zusammen– für ein Präzisionsinstrument eine unnötige Herausforderung. Bei der allgemeinen Pflege sollte man sich Tipps vom Fachmann holen und möglichst schonend reinigen. Auch eine regelmäßige Revision sollte man der Uhr gönnen, denn sie läuft ja 24 Stunden am Tag. Mit dem Auto fährt man schließlich auch zur Inspektion und macht Ölwechsel.
Uhren werden auch als Wertanlage betrachtet. Bei limitierten Turnschuhen bestimmter Marken ist es so, dass man sie gar nicht tragen darf, weil sie sonst an Wert verlieren. Wie ist das bei Uhren, kommt Patina gut an?
Der größte Wert einer Uhr liegt darin, den Besitzer zu schmücken, Spaß und Freude zu bereiten. Sie unterstreicht den Stil des Trägers. Wer damit handeln will, folgt anderen Kriterien. Wer eine Uhr nach dem Wiederverkaufswert aussucht, sollte sich eingehend informieren und beraten lassen. Aber eigentlich ist eine hochwertige mechanische Uhr zu schade, um ungetragen im Safe zu liegen.
Ab wann ist eine Uhr „alt“?
Qualitativ hochwertige, mechanische Uhren zeichnen sich bei professionellem Service durch eine außerordentlich lange Lebensdauer aus. Entsprechende regelmäßige Revision durch den Uhrmacher vorausgesetzt, können Uhren über Generationen ihren Dienst leisten. Die durchschnittliche Nutzungsdauer von Armbanduhren liegt laut dem Statistischen Bundesamt bei 46 Jahren. Tendenz steigend.
Was sind die begehrtesten Objekte auf dem Secondhand-Markt?
Alle großen Marken, angeführt von Rolex und Patek Philippe. Aber die Geschmäcker sind auf dem „Pre-Owned-Markt“ genauso vielfältig wie bei neuen Uhren.
Wie sieht es aus beim Kauf einer wertvollen gebrauchten Uhr, an was sollte man dabei alles denken? Bitte ein paar Kriterien, die man unbedingt beachten sollte.
Wer auf Nummer sicher gehen will, kauft nur solche Gebrauchtuhren, die vom Fachmann auf Zustand und Echtheit geprüft wurden. Auch die Beratung zu Wertstabilität und Qualität sollte man nicht dem Zufall überlassen. Laien sind mit der Einschätzung von Wert und Echtheit meist völlig überfordert.
Ihre Hinweise zum Gebrauchtuhrenkauf, und wo liegen dabei die größten Risiken?
Vor allem bei „Privatverkäufen“ und dubiosen Internetanbietern ist die Täuschungsgefahr besonders groß. Immer öfter kommen Kunden mit gekauften Gebrauchtuhren zum Uhrmacher, weil sie Zweifel an Wert oder Echtheit des erstandenen Zeitmessers haben. Zu spät, wie sich oft zeigt.
Danke für das Interview.