„Das ist eine Kulturrevolution“, äußerte sich jüngst Daimler-Chef Dieter Zetsche zu der Thematik. Diese ist zumindest angerollt, wann die Revolution vorbei ist, steht auf einem anderen Blatt.
Der erste Versuch erfordert Überwindung. Per Knopfdruck den Sensor aktivieren, an der Parklücke vorbeifahren und den Rückwärtsgang betätigen. Den Rest erledigt die Elektronik. Die Einparkautomatik ist bei vielen neueren Fahrzeugen mittlerweile gang und gäbe. Und erspart zudem unzählige Rangierversuche. Im normalen Straßenverkehr ist die Bordelektronik höchstens ein Assistent. Derzeit vertraut man noch auf den Faktor Mensch. Doch mit zunehmender Verkehrsdichte werden Fehler besonders schmerzlich. Gerade bei tödlichen Unfällen spielt menschliches Versagen die entscheidende Rolle. Autonomes oder zumindest halbautonomes Fahren könnte hierbei eine Lösung sein.
Vertrauen wagen
Das Vertrauen in die Technik ist jedenfalls ein großer Schritt. Umfragen zufolge ist eine knappe Mehrheit der Deutschen eher skeptisch, dass mit Kameras und Sensoren ausgerüstete Autos zukünftig ohne Hilfe des Fahrers durch die Gegend düsen. Der tödliche Unfall des computergesteuerten Tesla-Modells in den USA dürfte nicht gerade das Vertrauen in die neue Technologie befeuert haben. Momentan erscheint der Schritt zum vollautonomen Fahren wie eine Utopie. Der Grundgedanke hinter dem voll automatisierten Fahren ist nicht nur das bequeme Reisen, sondern die Hoffnung darauf, die Unfallzahlen drastisch zu reduzieren. Menschliche Fehler lösen noch immer am häufigsten Unfälle aus. Momentan liefern sich Automobilhersteller und Technologierunternehmen wie Google oder Apple ein Wettrennen. Wirklich dem anderen davonfahren kann bisher keiner.
Bis zu einem gewissen Grad ist schon heute auf die Technik Verlass. Spurhalteassistent, Tempomat, Einparkautomatik, automatische Abbremsfunktion – das alles ist mittlerweile fast schon Standard. Der neue 7er-BMW kann sogar ohne Fahrer an Bord per Schlüsselfernsteuerung selbstständig einparken. Die neue Mercedes E-Klasse ist bis Tempo 60 weitgehend autonom unterwegs. Bis 120 km/h soll der Fahrer unterstützt werden. So passen intelligente Tempomaten die Geschwindigkeit per Kamera oder Navigationsdaten den Tempolimits an. Der Tesla-Autopilot greift unter anderem auf Kameras sowie Radar- und Ultraschallsensoren zurück, um die Umgebung zu erfassen.
Intelligente Autos
Bis wann die Technik überhaupt voll und ganz alltagstauglich ist, steht noch in den Sternen. Experten schätzen, dass es mindestens noch 30 Jahre dauert, bis immer und überall Autos autonom fahren können. Die Autos sind dafür schlicht und ergreifend noch nicht „intelligent“ genug. Um Fahrzeuge in allen Situationen richtig reagieren zu lassen, sind noch viele umfangreiche Programmierungen vonnöten. Überholen oder sanftes Bremsen kann die Technik noch nicht selbstständig. Für den Überholvorgang kann das derzeitige Bordradar die Geschwindigkeit der anderen Verkehrsteilnehmer nicht präzise genug einschätzen. Für den Bremsvorgang schaut die Technik nicht weit genug voraus. Gerade extreme Lichtbedingungen überfordern derzeit die mit Elektronik vollgestopften Autos. Der tödliche Unfall des Tesla-Testfahrers passierte, weil die Software die weiße Plane eines quer stehenden Lastwagens für ein hoch hängendes Autobahnschild hielt. Tesla selbst fordert daher den Fahrer dazu auf, dass er die Verkehrslage überblicken soll und jederzeit selbst eingreifen kann. Zudem sind nicht alle Autos miteinander vernetzt, um sich etwa gegenseitig vor Unfällen, Baustellen oder anderen Hindernissen zu warnen. Gerade aber bei dichtem Verkehr gehen die Hersteller, wie etwa Audi, auf Nummer sicher. Kündigen sich Baustellen an, muss der Fahrer selbst übernehmen. Ein Horrorszenario ist für die Techniker der Stadtverkehr. Im Gegensatz zur Autobahn gibt es hier weitaus mehr Unwägbarkeiten wie Radfahrer oder Fußgänger.
Ethische Überlegungen
In der aktuellen Diskussion wird zudem die ethische Komponente aufgeworfen. Was passiert bei der Unausweichlichkeit eines Unfalls. Entscheidet sich das autonome Auto für die Gefährdung der eigenen Insassen oder etwa für das Überfahren einer vor das Fahrzeug gelaufenen Person. In Deutschland soll dafür eigens eine Ethikkommission geschaffen werden, die moralische Fragen bei der Einführung der vollautomatisch fahrenden Wagen abklären soll. Auch das Thema Haftbarkeit ist noch nicht abschließend geklärt.
In den USA ist man schon einen Schritt weiter. Die sogenannten Google Cars fahren bereits testweise in Kalifornien und Nevada – allerdings mit einigen Einschränkungen. Zwar erkennt die US-Verkehrssicherheitsbehörde den Computer als Autofahrer grundsätzlich an, setzt aber dennoch einen Menschen am Steuer sowie Kontrollmöglichkeiten wie Pedale voraus. In Deutschland geht das seit dem vergangenen Jahr auf der A9. Derzeit testet Audi auf diesem Autobahnabschnitt die neue Technik. Die Ingolstädter wollen 2018 in der Lage sein, hoch automatisiertes Fahren auf die Straße zu bringen. Ab 2020 peilt Audi die Serienreife an. Die Politik hinkt der Entwicklung dagegen hinterher. Das Verkehrsministerium arbeitet derzeit „Strategische Eckpunkte zur Weiterentwicklung automatisierten Fahrens bis 2020“ aus. Verkehrsminister Alexander Dobrindt denkt zumindest über eine „innovationsfreundliche Änderung des Straßenverkehrsgesetzes“ nach. Das Rennen ist jedenfalls eröffnet.