Eine echte Perle im Meer

Fotos: Christiane Flechtner

Ausgestreckt liegt sie da; als würde sie auf jemanden warten, der sie entdeckt, erkundet und erwandert. Die Rede ist von der Insel Usedom. „Sonneninsel“ wird sie auch genannt, denn kaum ein anderer Ort Deutschlands kann dem Eiland mit ihren durchschnittlich 1906 Sonnenstunden pro Jahr das Wasser reichen. Wer hierher fährt, ist ganz schnell raus aus dem Alltag – und wird erstaunt sein, was die 445 Quadratkilometer große Insel so alles zu bieten hat.

Es ist nur ein leises Rauschen, das sich zwischendurch verstärkt und dann wieder abebbt. Es ist die Melodie des Schilfs, das sich im sanften Wind mal mehr, mal weniger bewegt. Ein hölzernes kleines Fischerboot liegt versteckt an einem Steg. Keine halbe Stunde ist es her, da war ich noch im Auto und bin vom Festland über die Zecheriner Brücke gefahren, habe den Peenestrom überquert und bin irgendwann bei Suckow links abgebogen, bis die Straße in einer Sackgasse endete – und plötzlich bin ich in einer anderen, ganz leisen Welt.

Links von mir das tiefe Blau des Achterwassers – so wird die Lagune des in die Ostsee mündenden Peenestroms genannt – rechts ein paar Wiesen, auf denen Kühe weiden. Ich bin im Lieper Winkel – einer Halbinsel, die zum Usedomer Hinterland gehört. Und sie ist wohl das versteckteste Eckchen von ganz Usedom. Ich wandere durch eine Reihe blumen-gesäumter Felder, durch Wälder und eines der acht kleinen verträumte Dörfchen der Halbinsel mit ihren bunten Fischerhäusern und reetgedeckten Fachwerkhäusern. Es ist, als sei hier die Zeit stehengeblieben. So lasse ich mich treiben, bevor ich mich wieder in mein Auto setze und weiterfahre.

Wo Blau auf Grün und Weiß trifft

Lauter und trubeliger geht es auf der Nordseite der Insel zu. Dort, wo sich der weiße Sandstrand über 44 Kilometer entlangzieht und sich mit Heringsdorf und Ahlbeck die mondänen Kaiserbäder befinden, gibt es zwar nicht so viel Einsamkeit, aber auch hier sind traumhafte Pfade und Wanderwege zu finden. Die ersten Urlauber kamen bereits vor mehr als zwei Jahrhunderten nach Usedom, richtig los ging es im Jahr 1824 mit der offiziellen Gründung Swinemündes als erstes bürgerliches Seebad Deutschlands – samt eigener Badeanstalt im Zentrum der Stadt. Damals diente die Ostsee nämlich einzig und allein dem Fischfang und der Schifffahrt. Man ging damals weder als Gast und schon gar nicht als Einheimischer zum Baden in die Ostsee. All das hat sich im Laufe der Jahre geändert. Und so starte ich meine Wanderung auch barfuß im Wasser. Doch nach ein paar Kilometern entschließe ich mich, dem Strand den Rücken zu kehren. Die Küste ist wild und teilweise von hohen Klippen gesäumt – und ich möchte den Streckelsberg zwischen den Seebädern Koserow und Kölpinsee zu erkunden. Er steht seit 1961 unter Naturschutz – und ist ein echter Naturschatz inmitten der rundum liegenden Städtchen. Der schmale Weg führt bergauf durch den Wald und wird später zu einem Trampelpfad. Knorrige Baumwurzeln säumen den Weg bis zu einem Aussichtspunkt. Früher einmal war der Berg viel höher, doch durch Wind und Wellen wurde er immer weiter abgetragen, sodass er heute noch eine Höhe von 58 Metern erreicht. Der Aufstieg lohnt in jedem Fall, denn der Blick auf die kleinen bunten Strandkörbe und die tiefblaue Ostsee ist atemberaubend. Auf der anderen Seite des Berges wandere ich zurück zum Strand und mache eine Pause in einem der neuen Stühle auf der Seebrücke von Koserow.

Paddeln auf dem Achterwasser

Am nächsten Tag ist Wassersport angesagt: Direkt vor dem Forsthaus Damerow in Koserow leihe ich mir mit Freundinnen zwei Kajaks vom „Grenzenlos Aktiv Team“– und schon zehn Minuten später stechen wir vom hauseigenen Bootsanleger die Paddel ins kühle Nass des Achterwassers. Die Natur gehört uns an diesem Morgen allein, und wir genießen die Stille und die einsame Landschaft. Am Abend möchte ich noch einmal aufs Wasser und fahre nach Krummin zum Naturhafen, um das Krumminer Wiek zu erkunden. „Es ist ein fantastischer Ort zum Paddeln“, sagt Thomas Heller von Outdoor Usedom, der die Kajaktouren seit nunmehr fünf Jahren an diesem speziellen Ort anbietet. Das Wasser ist hier nur zwischen 2,5 und 3,3 Meter tief, und die Küstenzonen sind zum Großteil mit Schilf bewachsen. Ein perfekter Ort für Tiere, denn die Schilfgürtel sind optimaler Lebensraum, bieten nicht nur Versteck, Nahrung und ungestörte Brutplätze, sondern leisten einen wichtigen Beitrag für den Naturschutz und den Erhalt der Biodiversität.

Zum Weißen Berg

Ein leichtes Rascheln der Blätter im Wind begleitet mich am nächsten Tag bei der Wanderung über die Halbinsel Gnitz. Sie befindet sich auf der südlichen Inselseite zwischen Achterwasser, Peenestrom und Krummer Wiek. Ihre Südspitze wurde 1991 unter Naturschutz gestellt und bleibt seitdem nahezu unangetastet. Es ist Natur pur auf 61,3 Hektar. Seltene Pflanzen wie das Knabenkraut, Salzgras und Säulenwacholder wachsen hier. Startpunkt der rund zehn Kilometer langen Wanderung ist in Neuendorf, und von hier führt der Weg erst einmal einen Feldweg entlang und durch ein Waldgebiet. Ein schmaler Pfad, einem Labyrinth gleich, weist mir den Weg durch hohe Brombeerbüsche. Plötzlich öffnet sich das Grün und gibt den Blick frei auf eine Steilküste mit atemberaubender Aussicht: Tief unten das glitzernde Hellblau des Achterwassers und darüber der tiefblaue Himmel samt Schäfchenwolken. Es duftet nach Kiefern und Sonne und Natur. Die Steilküste entlang gibt es immer wieder neue atemberaubende Aussichten. Über knorrige Wurzeln und durch Pudersand wandere ich weiter in Richtung Naturschutzgebiet zum Weißen Berg, bis der Weg steil abfällt hinab zum flacheren Teil der Halbinsel, der Möwenort genannt wird. Hier grasen die Schafe, und es geht durch Weiderasen mit Wollgras und Steinbrech und dann in Richtung der Ortschaften Lütow und Netzelkow, bevor ich mich wieder an meinen Wander-Startpunkt im Örtchen Neuendorf begebe.

Infos

Orientieren
Die Usedom Tourismus GmbH befindet sich in der Hauptstraße 42 im Ostseebad Koserow. Buchungszentrale: Tel. 03835/244 144. Weitere Infos: www.usedom.de

Beste Zeit
Usedom kann ganzjährig besucht werden. Man sollte nur beachten, dass es in der Ferienzeit sehr voll ist.

Übernachten
Hotel Forsthaus Damerow: Hotel und einzelne Bungalows zwischen Ostsee und Achterwasser, Damerow 1, 17459 Koserow www.forsthaus-damerow.de

Das Ahlbeck Hotel & Spa:
Hotel direkt an der Ostsee, Dünenstraße 48, 17419 Heringsdorf www.das-ahlbeck.de