Individualisierung

von Martina Reckermann

Foto: Karsten Jipp / Koelnmesse GmbH
Foto: Karsten Jipp / Koelnmesse GmbH

Wenn der Priester auf das Tapeten-Luder trifft und der Teufel sich im Detail versteckt – dann werden die neuesten Trends auf der alljährlichen imm cologne gezeigt. In diesem Jahr lag der Fokus auf den kleinen, feinen Dingen, die wichtig sind. Außerdem besann man sich auf die Highlights der „Sixties“.

Wohlfühlen, Gemütlichkeit und die individuelle Gestaltung – dies sind die Kriterien, die den Deutschen in Sachen Einrichtung am Herzen liegen und deshalb auch von den Möbelherstellern auf der imm cologne und der LivingInteriors aufgegriffen wurden. Dabei sind der Kombinationsfreude fast keine Grenzen gesetzt: Möbel und Dekorationen, aber auch Accessoires und Textilien,  können gemixt werden. Gefüttert vom Megatrend Individualisierung werde – laut VDM – das Wohnen vor allem im textilen Bereich noch einmal deutlich bunter. Erlaubt ist, was gefällt.  Hauptsache, wir fühlen uns wohl. Eine neue Bequemlichkeit soll es auch beim Sitzen geben. Die Möbelindustrie zeigt daher besonders viele und individuell zusammenstellbare Esssessel. Ob Leder oder Stoff, die neue Esssesselgeneration punktet mit Komfort und Bequemlichkeit. Stühle haben 2016 oft Lounge-Charakter, sind aber nicht groß und schwerfällig, sondern filigran, leicht zu transportieren und erinnern auch an die zierlichen Modelle der 1960er-Jahre.

„60s Cocktail“ Ein bisschen James Bond und Hollywood wie in den flirrenden 60er-Jahren – das ist die KARE Wohnwelt „60s Cocktail“. Typische Erkennungszeichen: Samt, Kupfer- oder Messingdetails zu dunkleren Holztönen. Tische, Sideboards und Polstermöbel bleiben dem gradlinigen Formenschatz treu. Raffinesse verleihen angeschrägte Füße, Holz-Metall-Kombinationen und Farb- und Grafik-Akzente aus den Salons der Intellektuellen der wilden Sechzigerjahre. So liebten sie Sessel in mattem Petrolblau und Sofas in Senfgelb. Eine gehörige Portion Exzentrik gehört seit 1981 zum typischen Design der Marke Kare. Darum fehlten auf der imm cologne auch nicht die charmanten oder teils provokanten Hingucker, die der Wohnung Persönlichkeit und Pep verleihen. Die neuesten Messe-Modelle wie der Stuhl Portofino pink, das Sofa Milchbar oder der Sessel Gamble sind teilweise ab sofort, einige aber auch erst ab Mai, in ausgesuchten Stores erhältlich. In Hamburg ist das beispielsweise „Die Wäscherei“ am Mexikoring 27-29. Natürlich können alle Artikel auch im Online-Shop erworben werden. Das sogenannte Mid-Century-Design ist in der kommenden Saison am gefragtesten. Zum einen würden sich damit unsere Nostalgiesehnsucht und der Wunsch nach Sicherheit widerspiegeln, zum anderen trage diese Entwicklung den immer kleiner werdenden Wohnungen Rechnung. „2050 wohnt die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, da brauchen Architekten und Hersteller pfiffige Ideen für kleine Wohnungen“, erklärte Ursula Geismann vom VDM. Eine Aufforderung, der die Möbeldesigner auf der Messe in Form von Multifunktionsmöbeln wie rollbaren Schränken und zusammenklappbaren Schreibtischen bis hin zu Garderoben und Hockern, die auch als Regale fungieren, nachkamen. Stichwort Regale: Auf der imm cologne 2016 gab es eine große Vielfalt von frei zusammenstellbaren Regalmodulen, die teilweise sogar ohne jegliches Werkzeug zusammengebaut sowie auf jede Bedürfnislage und Wohnsituation angepasst werden können. Egal, ob man im Altbau mit hohen Decken oder im Neubau mit niedriger Decke lebt, eine Dachschräge hat oder ein Sideboard für den Flachbildschirm braucht. Generell nimmt die Elektronik, insbesondere das Handy, eine wichtige Rolle beim Thema Wohnen ein. So zeigten auf der LivingInteriors zahlreiche Unternehmen in der begehbaren Wohnhaus-Simulation und der Sonderausstellung „Smart Home“, welche Lösungen für ein  intelligentes, vernetztes Zuhause heute schon realisierbar sind.

Detailverliebt Wer über das Thema „Vernetzung“ hinaus weitere umfassende Neuigkeiten auf der Messe zum Thema Möbel erwartet hatte, wurde eines Besseren belehrt. Die Zeit der großen Revolutionen  scheint vorbei. Im Mittelpunkt stand nicht so sehr die Optik, sondern eher die bessere Funktionalität und der Komfort der Möbel. „Die Hersteller sind in diesem Jahr innovativ in den Details“,  erklärt Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelhersteller. Gute Beispiele dafür seien robustere Oberflächen, widerstandsfähigere Bezugsstoffe sowie bessere Beschläge. Nicht ganz so greifoder sichtbar war die zweite Richtung, in die sich in diesem Jahr die Möbelindustrielenkt. Im aktuellen Trendbericht des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie heißt es, dass ein  Megatrend die Individualisierung sei. Damit seien gesellschaftliche Unterströmungen wie der Wunsch nach mehr Mobilität, Flexibilität, Sicherheit, Umweltbewusstsein und Gesundheit gemeint – so der VDM. Schon seit einigen Jahren legen viele Menschen Wert auf ökologische Materialien. Die Sensibilität für Umwelt und Gesundheit wächst und so wird auf die Energieeffizienz  beispielsweise bei Leuchten und Heizungen geachtet. Außerdem werden Möbel aus Naturmaterialien immer beliebter. Beste Beispiele dafür sind die vielen Vollholz-Schränke, Kommoden, Stühle und besonders Tische, die in deutschen Häusern und Wohnungen stehen. Gern kombiniert mit Glas und Metall sowie wertvollem Naturstein, z. B. als Tischplatte. Darunter der Klassiker Marmor, aber auch südamerikanische Exoten mit besonders individueller Maserung. Massivholztischplatten werden vor allem in Eiche und Nussbaum angeboten und nun aber auch gerne mit  Metallgestellen und bunt lasierten Tischbeinen kombiniert, die sich überkreuzen oder krumm aussehen, ohne an Stabilität zu verlieren. Miteinander verschmelzen

Für dieses Jahr gilt: Einige alte Trends bleiben erhalten. Beispiele dafür sind die Küche und das Bad, die immer mehr in den Wohnraum integriert werden und anhand von hochwertigen  Möbelfronten und Materialkombinationen aus Holz, Glas und Stein einen edlen, behaglichen Charakter bekommen. Gleiches gilt für die Terrasse oder den Balkon. Hier wird weiterhin der „Raum unter freiem Himmel“ mit exklusiven Möbeln, Accessoires und Leuchten in ein „Outdoor-Wohnzimmer“ verwandelt.

Lieblingsfarbe Bunt Was macht ein Priester in einem grün tapezierten Raum auf der Möbelmesse? Wie wohnt ein Tapeten-Luder? Antworten auf diese Fragen lieferte Deutschlands bunteste Wohngemeinschaft auf der diesjährigen imm cologne. Unter dem Motto „Tapete macht das Leben bunter“ ermöglichte das Deutsche Tapeten-Institut (DTI) skurrile Einblicke in verschiedene Wohnsituationen. Individualität wird dabei als Wohntrend von morgen präsentiert. Aus den aktuellen Tapetenkollektionen mit mehr als 10.000 unterschiedlichen Dessins, Farben und Stilrichtungen hatten sich ein Priester, ein Tapeten-Luder, eine Handwerkerin, ein Hipster und WG-Hund Murphy ihren ganz persönlichen Alltagswohnraum mit Tapeten gestaltet. Herkömmliche Vorstellungen und  Meinungen über Wohnen, Einrichten, Individualität und Geschmack wurden in der Tapeten-WG hinterfragt und sollten die Phantasie der Messebesucher anregen. Dafür bediente sich das DTI des Stilmittels der Übertreibung: Die vier Ton in Ton gestalteten Wohnräume ähnelten Collagen, waren überfüllt mit Kuriositäten und wollten den Betrachter zu eigenen Interpretationen über den Einsatz von Tapete und seine individuelle Lebenswelt inspirieren. „Tapete gibt wie kaum ein anderes Gestaltungsmittel der Inneneinrichtung die Freiheit, das auszudrücken, was wir fühlen. Tapete ermöglicht Individualität und Abwechslung statt Mainstream und Monotonie!“,  erklärte der DTI-Geschäftsführer Karsten Brandt. www.imm-cologne.de www.moebelindustrie.de www.kare.de www.tapeten.de www.die-waescherei.de